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Nach langen Anfeindungen am Ende ein Held. Martin Luther King als der „Stein der Hoffnung“, der aus dem „Berg der Verzweiflung“ herausgebrochen wurde. Das neue Memorial ist die bildhafte Umsetzung eines Zitats des Anführers der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Eingeweiht wird es am Sonntag, dem 48. Jahrestag seiner „I have a Dream“-Rede. Foto: reuters

© REUTERS

Panorama: Sein Traum in Stein

48 Jahre nach seiner großen Rede wird in Washington ein Denkmal für Martin Luther King eingeweiht

So viel Auftrieb bis in die späten Abendstunden hat die National Mall in Washington lange nicht erlebt. Aber es wird ja auch nicht alle Jahre ein neues Denkmal für einen der großen Helden der Nation enthüllt. Tausende strömten am Montag zum Martin Luther King Memorial, blickten ergriffen auf das rund neun Meter hohe, in Stein gehauene Abbild der Ikone der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und lasen bewegt 14 Zitate aus seinen Reden, die in die Granitwände gemeißelt wurden, die das neue Denkmal einrahmen. „Das bedeutet mir unendlich viel – nach allem, was wir durchgemacht haben“, sagte Sean, ein Afroamerikaner aus South Carolina. „Amerika erkennt damit an, dass er ein ebenso wichtiger Anführer war wie die großen Präsidenten.“

Madeline Coleman war vor 48 Jahren beim Marsch auf Washington dabei. An dessen Ende hielt Martin Luther King am 28. August 1963 auf den Stufen des Lincoln Memorial vor etwa 250 000 Menschen die berühmte Rede „I have a Dream“, in der er seinen Traum von einem Amerika ohne Rassenschranken schilderte. Nun ist die 68-Jährige mit ihrem Enkel Anthony gekommen. Der 16-Jährige lebt in einem Land, das vor knapp drei Jahren mit großer Mehrheit den ersten schwarzen Präsidenten gewählt hat. Bevor sie zum neuen Denkmal aufbrachen, hat sie ihm Ton-Aufnahmen von Kings Reden vorgespielt – für ihn sind es Dokumente aus grauer Vorzeit.

Am kommenden Sonntag, dem 48. Jahrestag der „I have a Dream“-Rede, wird Barack Obama das neue Memorial offiziell einweihen. Tausende Ehrengäste sind geladen. Damit sie alle Platz finden, wurde eine an das Denkmalgelände angrenzende, unbebaute Wiese abgesperrt. Sehen kann man das Memorial von dort aus nicht. Die Bilder werden auf Videowände übertragen. Arbeiter schrauben an Tribünen und Podesten für die Lautsprecher. Lkws transportieren Stühle und Campingtoiletten heran. Der National Park Service, der die gesamte National Mall mit ihren Denkmälern betreut, schätzt, dass 250 000 Besucher in den ersten sieben Tagen zu der neuen Attraktion strömen werden. Die Furcht vor einem kaum zu bewältigenden Andrang war es dann wohl auch, die zum „Soft Opening“ führte: der erst vor wenigen Tagen verkündeten Entscheidung, das Denkmalgelände bereits am Montagmittag vor der offiziellen Einweihung für Besucher zu öffnen.

Das Memorial für „MLK“, wie man ihn in den USA kurz nennt, fügt sich nahtlos und zugleich hochsymbolisch in die Erinnerungslandschaft im Herzen der Hauptstadt ein. Es liegt am Westufer des Tidal Basin, einem künstlichen See, der bei der Trockenlegung des früheren Sumpfgebiets und der Seitenarme des Potomac entstand. Im Frühjahr zieht die Blüte der japanischen Kirschbäume rund um das Tidal Basin die Touristen an. Schräg gegenüber, am Südostufer des Sees, liegt das Jefferson Memorial. Es ehrt einen der einflussreichsten Verfassungsväter; er wurde dann dritter Präsident.

Westlich an Jefferson schließt sich das Roosevelt Memorial an. Es erinnert an den Präsidenten, der die USA durch die Große Rezession der 1930er Jahre führte und im New Deal Massenbeschäftigungsprogramme sowie grundlegende Arbeiterrechte durchsetzte. Den bisher freien nördlich angrenzenden Raum zwischen dem Roosevelt Memorial und der Independence Avenue nimmt nun das Denkmal für Martin Luther King ein. Es liegt damit zugleich genau in der Mitte einer gedachten Verbindungslinie zwischen den Memorials für Jefferson und für Abraham Lincoln am Westende der National Mall. Lincoln war Präsident während des Bürgerkriegs 1860 bis 1865 und erzwang das Ende der Sklaverei.

1996 hatte der US-Kongress der Studentenvereinigung „Alpha Phi Alpha Fraternity“, der auch King angehört hatte, die Erlaubnis gegeben, ein Memorial für ihn zu errichten. 2006 wurde der Grundstein gelegt. 112 der 120 Millionen Dollar Baukosten stammen aus privaten Spenden. Träger des Projekts ist eine Stiftung. Sie wählte das Konzept, den Architekten, die Bildhauer und die Zitate aus.

Grundmaterial sind drei Granitarten mit unterschiedlichen Farbtönen. Die Formen setzen teils Zitate von King um, teils sind es Anleihen von anderen Memorials auf der Mall wie dem Vietnam und dem Roosevelt Memorial. Der Eingang führt durch einen „Berg der Verzweiflung“ aus hellem Granit, dessen steinerne Mitte herausgeschnitten wurde. Dieser Steinblock ist um einige Meter zum Seeufer verrückt und symbolisiert den „Stein der Hoffnung“. In seine Vorderseite wurde das überlebensgroße Abbild Kings eingemeißelt. Er blickt mit verschränkten Armen in die Weite, Richtung Jefferson Memorial. Der Blick soll die Standfestigkeit und sein unerschütterliches Festhalten an gewaltfreien Methoden des Protests darstellen. Manche Kritiker fühlen sich an Statuen in kommunistischen Regimen erinnert. Die Zitate an den einrahmenden Wänden stammen aus der Zeit zwischen dem Beginn des Busboykotts in Alabama 1955 und Kings Ermordung 1968.

 Christoph von Marschall[Washington]

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