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Jetzt aber schnell: Usain Bolt beim Oktoberfest

Das Oktoberfest steht auf der ganzen Welt für Deutschland und niemand kann das verhindern. Japanerinnen und Amerikaner – alle tragen Dirndl und Lederhose. Und Usain Bolt tanzt dazu. Sehen Sie hier auch das Video, wie er im Bierzelt tanzt.

Ein Punk-Mädchen im Dirndl steht in München an der U-Bahn, ein Tätowierter mit Lederhose und Haferlschuhen steigt aus und läuft Richtung Theresienwiese. Ihm kommt an diesem frühen Abend ein Mann entgegen mit einer Bierfass-Mütze auf dem Kopf und einem leeren Maßkrug in der Hand, Paulaner, geklaut trotz der Sicherheitsleute vor den Festzelten. Man könnte es Fasching nennen – es ist das Oktoberfest, zum 180. Mal in München. Am vergangenen Eröffnungswochenende waren mehr als eine Million Besucher bei dem Spektakel, haben sich durch die Gassen geschoben, in die Fahrgeschäfte gezwängt. In den Bierzelten kann keiner mehr umfallen, wenn „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ angestimmt wird.

Usain Bolt schreibt, es sei "ein Muss, an der Kultur teilzuhaben"

Sprintstar Usain Bolt war am Montagabend da. Wenn man in München sei, sei es „ein Muss, an der Kultur teilzuhaben“, schrieb Bolt am Dienstag bei Instagram. „Oktoberfest, hier komme ich.“ Dazu postete er ein Foto, auf dem er in Lederhosen, rotweiß-kariertem Hemd und dunkelroten Strümpfen zu sehen war. Auch einen traditionellen Hut hatte sich der Weltmeister und Olympiasieger aufgesetzt. An den Füßen blieb er sich aber treu und trug Turnschuhe. Auf einem Video ist zu sehen, wie er wild zur Musik tanzt.

Der bayerische Kulturimperialismus ist nicht aufzuhalten

91 Prozent der Weltbevölkerung, so hat es die Deutsche Zentrale für Tourismus ermittelt, wissen, was das Oktoberfest ist – vom Kap bis ans Nordmeer, von San Francisco bis zum Ural. In den Festzelten tanzen weiße und schwarze US-Amerikaner, Japanerinnen zupfen sich die Dirndl schön zurecht, kichern und fotografieren sich pausenlos gegenseitig. Das Oktoberfest ist Bayern, so lautet international der erste Trugschluss. Und der zweite: Bayern ist Deutschland. Es ist ein sehr einseitiges, reduziertes Bild der Republik, das von dem 31 Hektar großen Gelände in die Welt gesendet wird. Die Folgen sind unabsehbar. Selbst in Berlin gibt es inzwischen so viele Oktoberfeste und bayerische Wirtshäuser, dass der Eindruck entstehen könnte, die Hauptstadt sei bayerisch. Die Touristen wollen es so und deshalb wird den bayerischen Kulturimperialismus wohl niemand stoppen können.

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Aber zurück nach München. Dieses Jahr kostet die Maß Bier zwischen 9,40 und 9,85 Euro und damit 3,6 Prozent mehr als 2012. Für die Bedienungen ist das eher schlecht, das Trinkgeld wird weniger, denn viele Gäste zahlen weiterhin mit einem Zehn-Euro-Schein und sagen „Stimmt so“. Die Klage über die steigenden Bierpreise ist fast so alt wie die Wiesn selbst. 1990 kostete die Maß noch sieben D-Mark. Doch die Festwirte weisen regelmäßig Statistiken aus, wonach der Preis nur moderat mit der Inflation steigt. Die Stadt München als Veranstalter kontrolliert ziemlich scharf, dass nicht zu viel geschummelt wird. Als „sauber eingeschenkt“ gilt eine Maß, wenn mehr als 0,85 Liter Bier darin ist. Ansonsten kann der Gast verlangen: Bitte nachschenken. Vorbei sind auch die Zeiten, als ein Festwirt zur Gaudi der Zuschauer zeigte, wie man durch geschicktes Tranchieren aus einem ganzen drei halbe Hendl herstellen konnte. Und der Promi-Wirt Sepp Krätz musste dieses Jahr wieder um die Zulassung des „Hippodrom“-Zeltes bangen, weiterhin ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Krätz wegen Steuerhinterziehung.

Amerikaner auf dem Münchner Oktoberfest. Dirndl und Lederhosen gibt es inzwischen auf Flughäfen zu kaufen.

© dpa

Am Abend stehen die Besucher im Spatenbräu-Zelt dicht an dicht auf den Tischen, „Skandal im Sperrbezirk“ grölen sie von den ersten Tönen der Kapelle an mit. Das Zelt dampft, eine Geruchswolke aus Bier und Hendl, Schweiß und ein bisschen Urin wabert in der Luft. „Skandaaal … Skandal um Rosi“. Das Volk lärmt und tanzt. Ähnliche Szenen überall – im Augustiner-Zelt wird „Griechischer Wein“ besungen, bei Hofbräu krächzt sich der Sänger mit AC/DC die Kehle wund. „TNT“ – das „Hoi, hoi, hoi“ können alle und reißen dabei die Arme hoch. Die Bedienungen haben Trillerpfeifen im Mund, um sich mit ihren vielen Maßkrügen auf dem Arm den Weg freizupfeifen.

Das Oktoberfest erfasst die ganze Welt

Es herrscht ein Erklärungsnotstand für das Phänomen Oktoberfest. Dafür, dass so etwas auch in Texas, Brasilien oder Tel Aviv gefeiert wird. Dass sich junge Menschen deutschlandweit in Tracht kleiden, um in ihrer Heimat oder in München aufs Oktoberfest zu gehen. Der bayerische Kabarettist Bruno Jonas gibt sich als Wiesn-Experte, hat schon mal ein Buch darüber geschrieben, doch auch er kann sich dem Geschehen nur annähern. „Das Oktoberfest ist eine komprimierte Form Bayerns“, sagt er. „Die Welt kommt in München zusammen, um im bayerischen Kulturgewand ein multikulturelles Fest zu feiern.“ Die Wiesn bestehe aus Einwanderern, die bereit seien, am selben Tag zur Sperrstunde wieder auszuwandern.

Von Jahr zu Jahr erscheint das Oktoberfest als Wiederholung des immer Gleichen. In der Befriedigung der klaren Erwartungen liegt sein Erfolgsrezept. Bruno Jonas sagt: „Das schönste Erlebnis habe ich, wenn ich die Wiesn verlasse.“ Denn dann komme er „von der Enge wieder in die Weite der Welt“.

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