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Hirnforschung: Wie das Gehirn Ekel simuliert

Leser schlüpfen gedanklich in die Haut des Helden – und zwar mehr oder weniger buchstäblich. Reaktionen lassen sich bis ins Gehirn zurückverfolgen.

Was passiert im Kopf, wenn man ein Buch liest? Wenn man mit einem Helden mitfiebert, seine Gedanken denkt, seine Gefühle fühlt? Ein Team um den Hirnforscher Christian Keysers von der Universität Groningen wollte es genauer wissen und ging der Sache mit einem Kernspintomografen auf den Grund. Keysers und seine Kollegen konnten erstmals nachweisen, was Literaten schon immer geahnt haben: Beim Lesen schlüpft das Hirn in die Haut des Helden – und zwar mehr oder weniger buchstäblich.

Die Studie, im Fachmagazin „Plos One“ (online, Band 3, Seite e2939) erschienen, verlief folgendermaßen: Die Wissenschaftler legten Testpersonen in einen Hirnscanner, wo sie verschiedene Geschichten zu lesen bekamen. Eine Geschichte kreiste um das Thema Ekel. Es ging darum, wie man mit einem stinkenden, betrunkenen Mann, der sich gerade übergeben hatte, zusammenstieß. „Die Geschichte war zutiefst widerwärtig und rief starke Ekelgefühle bei den Leuten hervor“, sagte Hirnforscher Keysers dem Tagesspiegel.

Die Reaktion ließ sich bis ins Gehirn zurückverfolgen. So aktivierte die Geschichte eine Struktur namens Insula besonders stark – ein verblüffendes Resultat, da die Insula in erster Linie für die eigene Körperwahrnehmung zuständig ist. Die Hirnstruktur wird üblicherweise aktiviert, wenn man etwas Ekliges riecht oder isst, beispielsweise verdorbenes Fleisch. „Lesen wir eine eklige Geschichte, nimmt unser Gehirn einen ähnlichen Zustand an, als würden wir am eigenen Leib etwas Ekliges wahrnehmen oder essen“, sagte Keysers. „Das Gehirn simuliert innerlich den Zustand des Helden.“ Der Held wird im Kopf ein Teil des Ich, nicht nur auf abstrakte, sondern auch auf konkrete, körperliche Weise.

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