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Nichts mehr. Viele Menschen in Nepal haben durch das Beben alles verloren. Die internationale Hilfe kommt nicht zu ihnen durch, weil der Flughafen in Kathmandu zu klein ist – und manche lokale Behörde zu korrupt.

© imago

Nepal: Wunderrettung aus Trümmerbergen

Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal torpediert die Regierung die Arbeit der Helfer. Erste Fachleute reisen wieder ab. Wenige Meldungen, wie die Rettung eines 100-Jährigen, machen Mut.

Es kommt einem Wunder gleich. Acht Tage nach dem schweren Erdbeben in Nepal haben Retter noch zwei Frauen und zwei Männer lebend aus den Trümmern geborgen. Unter ihnen sei ein mehr als 100 Jahre alter Mann. Der gerettete Greis sei verletzt, aber außer Lebensgefahr, sagte Innenministeriumssprecher Laxmi Dhakal am Sonntag. Er habe seit dem Erdbeben am Samstag vor einer Woche unter den Überresten seines Lehmhauses im Dorf Kimtang im Distrikt Nuwakot gelegen. Ein Team aus nepalesischer Polizei und japanischen Rettungskräften habe ihn gefunden. „Wir glauben, dass er mehr als 100 Jahre alt ist“, sagte Dhakal. Damit hätte der Gerettete schon das vorherige schwere Erdbeben in Nepal im Jahr 1934 überlebt.

Doch trotz dieser einzelnen positiven Meldungen schwinden mit jeder Stunde die Hoffnungen, weitere Überlebende zu finden. „Wenn sie nicht in einer Luftkammer gefangen sind, gibt es kaum noch eine Chance, dass jemand überlebt hat“, erklärte Dhakal.

Immer weiter werden die Opferzahlen nach oben korrigiert. 7040 Tote sind es nun, darunter sollen 54 Ausländer sein. Weil kaum noch Chancen bestehen, Menschen zu retten, sind erste ausländische Suchteams bereits wieder abgereist. Sechs Feuerwehrleute von Atfire und ihre zwei Rettungshunde landeten am Sonntag in Frankfurt. Man habe nicht mehr damit rechnen können, noch Überlebende zu finden, sagte Sebastian Stenzel von Atfire. „Mit jedem Tag schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass noch jemand lebend gefunden werden kann.“ Gerade in Nepals einfachen Ziegelhäusern gebe es nach Einstürzen kaum Hohlräume, wo Menschen überleben könnten. Das Ausmaß der Zerstörung sei katastrophal. „Es sind ganze Ortschaften wie ausradiert“, berichtete Teamleiter Irakli West.

Zunehmend gerät der kleine Himalaya-Staat für die Helfer zum logistischen Albtraum. Es herrscht Chaos. Am Flughafen der Hauptstadt Kathmandu sollen Berge von Hilfsgütern den Platz für Flieger und Nachschub blockieren, weil die Regierung an der Zollkontrolle festhält. Zugleich fehlt es an Lastern und Hubschraubern, um die Hilfe zu den Menschen zu bringen. Auch klagen Nepalesen, die Behörden würden Hilfsgüter vor allem an Verwandte und Parteifreunde verteilen. UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos zeigte sich besorgt, dass es zu lange dauern könnte, bis Hilfe die Menschen erreicht.

Laut UN sind 8,1 Millionen der 28 Millionen Einwohner vom Beben betroffen. Zwei Millionen seien aus ihren Häusern vertrieben. In einigen Regionen seien 90 Prozent aller Häuser zerstört, insgesamt sollen es etwa 300 000 Häuser sein. Das Land brauche dringend hunderttausende Zelte, Decken, Essen, Trinkwasser und Toiletten. Die Zeit drängt. Der Monsun naht, schon jetzt macht Dauerregen den Menschen zu schaffen.

Doch das Nadelöhr ist der kleine Flughafen von Kathmandu, der einer solchen Katastrophensituation nicht gewachsen ist. Am Sonntag musste der Airport für alle schweren Transport- und Militärmaschinen geschlossen werden, weil die einzige Lande- und Startbahn dem Gewicht nicht standhält und zusehends Löcher und Risse aufweist. Nepal appellierte an alle Länder, nur noch kleine und mittelgroße Flieger zu schicken. Es gibt zudem nur neun Parkbuchten. Einige Organisationen weichen bereits auf den Landweg aus. Doch auch an der Grenze von Indien zu Nepal sollen sich die Laster schon stauen.

Angesichts des Chaos werden die Töne zwischen Nepals Regierung und den Hilfsorganisationen zusehends gereizter. Kaum verhohlen warfen die UN der Regierung vor, die Hilfe zu behindern. Zwar hat Nepal Zelte und Planen vom Zoll befreit. Doch andere Hilfsgüter müssen weiter durch den Zoll, wo sich die Ladungen türmen. Amos appellierte an Nepal, die Zollkontrolle zu beschleunigen oder ganz auszusetzen.

Zuvor hatte die Regierung ihrerseits den Geberländern vorgeworfen, den ohnehin heillos überlasteten Flughafen mit fragwürdigen Spenden vollzumüllen. „Wir haben Dinge wie Thunfisch und Mayonnaise erhalten. Was sollen wir damit? Wir brauchen Reis, Salz und Zucker“, sagte Finanzminister Ram Sharan Mahat Reportern. Das Chaos erinnert an Sri Lanka nach dem Tsunami 2004. Damals hatten Spender angeblich sogar Weihnachtsmann-Kostüme in den tropischen, mehrheitlich buddhistischen Inselstaat geschickt. Inzwischen haben die USA Soldaten entsandt, die die Abfertigung am Flughafen beschleunigen sollen.

Auch Urlauber kommen nur nach und nach aus dem Land heraus. Laut EU sollen sich noch 9 000 Europäer in Nepal aufhalten. Davon würden 1000 vermisst. Auch das Schicksal von 50 Deutschen ist noch ungewiss. Am kleinen Inlandsairport in Lukla sollen noch hunderte Touristen auf einen Flug nach Kathmandu warten. Im Langtang-Tal entdeckten Bergungskräfte 51 Tote, unter ihnen sechs Ausländer. In der Hauptstadt Kathmandu sind erste Menschen in ihre Häuser zurückgekehrt. Andere harren in Zelten aus, weil der Geruch verwesender Leichen zu stark ist. Noch verzweifelter ist die Lage in den Regionen nahe des Epizentrums. Viele Döfer sind abgeschnitten. Auch am Sonntag erschütterten weitere Nachbeben das Land.

Zuversichtlich zeigte sich immerhin die Unesco für den Wiederaufbau der zerstörten Kulturgüter, die für viele Nepalesen einen ungemein hohen symbolischen Stellenwert haben. Zahlreiche Skulpturen und geschnitzte Holzbalken seien gerettet worden, sagte der Repräsentant der UN-Kulturorganisation in Kathmandu, Christian Manhart, im Deutschlandradio Kultur. Die historischen Bauten im Kathmandutal, das auf der Unesco-Welterbeliste steht, seien gut dokumentiert. (mit dpa)

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