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Der Erfinder von Vater und Sohn: Zeichen setzen

Heute wäre der Cartoonist Erich Ohser 100 Jahre alt geworden

„Sind doch Gedanken frei" wusste schon Walther von der Vogelweide. Vielleicht hatte e.o. plauen diese Worte im Sinn, als er einen Kopf zeichnete, der leichtfüßig herumspaziert. Es war Anfang 1936, für manche Deutsche war die Welt noch in Ordnung, nicht aber für den Mann, der mit „Vater und Sohn“ die beliebteste deutsche Cartoon-Serie überhaupt schuf. Der Grafiker Erich Ohser stand wegen seiner Anti-Nazi-Karikaturen im „Vorwärts“ auf Goebbels schwarzer Liste, durfte aber ab 1934 unter dem Pseudonym e.o. plauen Unverfängliches in der „Berliner Illustrirten" veröffentlichen.

Die drolligen Geschichten um sein Zweiergespann rühmte der Theaterkritiker Friedrich Luft nach dem Krieg als „kleine Oase der Menschlichkeit". Zum gezeichneten Schützenfest rüstete Ohser sein Gespann auch mal wie Wilhelm Tell und Sohn mit Armbrüsten aus und ließ sie auf den (Reichs-)Adler schießen. Und doch wurden die Figuren, aber auch Erich Ohser und sein Sohn Christian leibhaftig, für Kraft-durch-Freude-Propaganda missbraucht. Ende 1937 ließ e.o. plauen seine Geschöpfe für mehrere Zeichenfolgen auf eine einsame Insel emigrieren, ein Jahr später versiegten ihm - kein Wunder - die witzigen Ideen.

Im letzten „Vater und Sohn"-Cartoon wandern die beiden zum Himmel, um dort zu prangen als Mond und Abendstern – letzterem gab der Zeichner den Umriss des Davidsterns, was offenbar niemand merkte. 1944 beging Ohser in Gestapohaft Selbstmord, er war wegen privater „staatsfeindlicher Äußerungen" verhaftet worden. Heute vor hundert Jahren kam er in Plauen zur Welt, wie sein Freund Erich Kästner ließ er sich nie wirklich verbiegen.

Jens Hinrichsen

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