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TikTok spielt eine wichtige Rolle bei der Sichtbarkeit, es gibt aber auch viele Hasskommentare.

© imago images/imagebroker

Queere Community auf TikTok: „Manchmal gehe ich raus und denke die ganze Welt sei queer“

Queere Influencer*innen bekommen auf TikTok viele Hasskommentare. Es mangelt an Moderation. Das will die Plattform nun ändern.

Sie tanzen viel, reisen luxuriös um die Welt und tragen Anzüge in Aufzügen: Die Elevator Boys sind so genannte TikToker, die Influencer der Stunde und stehen exemplarisch für den erfolgreichen Algorithmus der Plattform: Man sieht nur, was man sehen will. Damit verkörpern sie eine Welt, in der es keine Ecken und keine Kanten und erst recht keine Kritik gibt. Das Problem an der Geschichte: Nicht jeder kann ein Elevator Boy sein. Und weil das offenbar erkannt wurde, soll es jetzt politisch werden.

Am Donnerstag Abend wurde von TikTok-Deutschland zu einem „Roundtable“-Gespräch in den queeren Berliner Club Schwuz geladen. Thema: Bei TikTok soll allen Nutzer:innen ein sicherer und inklusiver Raum geboten werden, insbesondere für die LGBTQIA+ Community.

Das klingt weltoffen. Der Einlass wurde trotzdem streng konrolliert. Nur geladenen Gäste durften rein. Die wurden mit kostenlosen Getränken, Goodie Bags und einem dick aufgetragenen Buffet bezirzt. „Alles ganz fein, nur die Blutwurst Praline mit Apfel schmeckt bisschen fad“, fasst das einer der Gäste treffend zusammen.

TikTok befinde sich in einem Prozess, man sei auf einer Reise und die wolle man Gemeinsam mit der Community gehen, erzählt Tobias Henning, der General Manager von TikTok-Deutschland, bei seiner Eröffnungsrede. Und man habe auch schon viel geschafft: „Unter anderem kann man die Pronomen ändern - jeder kann selbst festlegen, mit welchem Pronomen er oder sie angeredet werden will“.

Die Diskussionsrunde, bestehend aus der Rapperin Jnnrhndrxx, der Influencer:innen Max Pichlmeier und Saskia Michalski und der Aktivistin Rosa Jellinek war überraschend kritisch. Und das Panel, inklusive Moderatorin Miss Ivanka T, war sich einig: TikTok gehe mit Hasskommentaren, wenn überhaupt, sehr schlecht um und sei damit gar kein so sicherer Safe Space, wie immer behauptet würde.

Viele Hasskommentare

„Ich habe mich mittlerweile etwas von TikTok zurückgezogen. Denn als mehrfach marginalisierte Person, die nicht nur queer, sondern auch Schwarz ist, bin ich auf Tiktok viel Hass ausgesetzt“, sagte Rapperin Jnnrhndrxx. Kommentare könne man zwar löschen und transfeindliche Kommentare rausfiltern, aber insbesondere rassistische Bemerkungen blieben bestehen. „Was Rassismus angeht, muss sich noch einiges tun, damit ich wieder Content kreiere wie früher.“

Rosa Jellinek von Keshet Deutschland stimmte ihr zu. Es sei „wirklich nochmal eine andere Nummer, wenn Diskriminierung aus verschiedenen Ecken kommt.“ Das habe auch mit der Intersektionalität, also dem Zusammenwirken verschiedener Diskriminierungsformen zu tun. „Ich kann oft gar nicht glauben, wie wenig die automatischen Wortfilter funktionieren und wie viel Hate doch durchkommt.“ Keshet Deutschland, ein Verein, der sich für queere jüdische Menschen stark macht, erhält für einen Beitrag manchmal hunderte antisemitische Kommentare. „Man kommt gar nicht hinterher, das zu bearbeiten.“

Saskia Michalski äußerte in diesem Zusammenhang den Wunsch, Mitarbeiter*innen besser zu sensibilisieren, zum Beispiel was das Thema Pronomen angeht. Mittlerweile werden transfeindliche Äußerungen nicht allein durch Kommentare getätigt, sondern beispielsweise auch in Form von Emojis. So gilt die Kiwi mitunter als Symbol von Terfs, also Personen, die sich selbst als Feminist*innen bezeichnen, aber trans Personen aus ihrem Verständnis von Feminismus ausschließen.

Die Plattform schafft Sichtbarkeit

Michalski selbst ist nicht-binär und nutzt TikTok auch, um über Themen wie Polyamorie zu sprechen. „Bei dem Thema bin ich abgehärtet, ich kenne die ganzen Sprüche“, sagt Michalski. Aber beim Thema Nicht-Binarität sei das anders. „Die Menschen hassen es entweder abgrundtief oder sind die ganze Zeit damit beschäftigt, einem die Identität abzusprechen.“ 

Mittlerweile hat Michalski deshalb die eigene Twitter-Nutzung und Themensetzung für sich klar definiert. „Für mich ist es eine Utopie, dass sich daran von heute auf morgen etwas ändert. Nur Tiktok-intern kann daran etwas geändert werden. Aber bis das soweit ist, muss ich einen Weg für mich finden damit umzugehen.“

Henning wirkte sehr verständnisvoll und besorgt, er wolle sich auf jeden Fall kümmern. Viele der Gäste waren am Ende des Abends nicht wirklich überzeugt. Die allgemeine Kritik: So ehrenwert, ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte marginalisierter Gruppierungen, ist, wenn dadurch Themen wie fehlender Datenschutz oder politische Zensur verschleiert wird, dann wirkt das Ganze eher wie eine etwas zu offensichtliche Marketingstrategie.

Dennoch betonte Rapperin Jnnrhndrxx auch das Potenzial der Plattform: Als sie Teenager war, da hätte sie sich mehr Sichtbarkeit von Schwarzen trans Frauen gewünscht und Vorbilder, die ihr zeigten: Du bist nicht allein. Für sie spielt die App deshalb in Hinblick auf Repräsentation und Sichtbarkeit auch eine wichtige Rolle. „Und manchmal, wenn ich lange durch Tiktok gescrollt habe und dann rausgehe, denke ich die ganze Welt sei queer.“

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