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Nicholas Galitzine und Taylor Zakhar Perez in „Rot, Weiß und Königlich Blau“.

© Jonathan Prime / Amazon Studios / courtesy Everett Collection

Regisseur Matthew Lopez: „Die Community will endlich queere Menschen in Machtpositionen sehen“

Der Dramatiker und Drehbuchautor Matthew Lopez hat mit „Rot, Weiß und Königlich Blau“ erstmals bei einem Film Regie geführt. Ein Gespräch über Adel, Sex und seinen Broadway-Hit „The Inheritance“.

Von Patrick Heidmann

Matthew Lopez, womit rechnen Sie eher? Dass wir einen geouteten britischen Royal erleben oder ein offen queeres Präsident*innen-Kind in den USA?
Ganz ehrlich? Am liebsten wäre mir ein*e queere Präsident*in. Und wenn der/die dann auch noch Mexican-American oder Latino/a wäre, würde mich das doppelt glücklich machen.

In diesen Kontext passt auch Ihre Aussage, dass ein Roman wie „Red, White & Royal Blue“ von Casey McQuinston womöglich Ihr Leben verändert hätte, wenn es ihn in Ihrer Jugend schon gegeben hätte, oder?
Ja, einfach weil es erstaunlich viele Parallelen zwischen Alex Claremont-Diaz, dem Präsidentinnen-Sohn in dieser Geschichte, und mir gibt. Auch ich bin in den Südstaaten aufgewachsen als queerer Sohn eines Latinos und einer Weißen. Ich hatte sofort einen Bezug zu dieser Figur, als ich den Roman das erste Mal las. Diese Form der Repräsentation wäre in meiner Jugend natürlich Gold wert gewesen.

Wenn man Zeit seines Lebens immer wieder als „anders“ und dezidiert nicht als Teil des Mainstreams gesehen wird, ist es ein bemerkenswertes Gefühl, sich plötzlich in einem Roman oder einem Film auf diese Weise wiederzuerkennen. Man fühlt sich schlagartig weniger einsam. Als junger Schwuler in den neunziger Jahren ging es in fast allen mir zugänglichen Geschichten über Homosexualität um Sterben und den Tod. Wie großartig, dass es für junge Leser*innen und Zuschauer*innen heute, ob nun queer oder nicht, auch Geschichten wie die von Alex Claremont-Diaz und Prinz Henry gibt.

Wie sind Sie selbst eigentlich auf diese Geschichte gestoßen?
Ich bekam das Buch Anfang 2020 von meinem Agenten geschickt, als gerade „The Inheritance“ am Broadway lief. Er dachte damals, dass ich vielleicht Lust haben könnte, daraus ein Bühnenmusical zu machen. Doch nach spätestens 50 Seiten wusste ich, dass ich viel mehr Spaß daran haben würde, die Geschichte als Film zu adaptieren. Von dem Moment an war ich Feuer und Flamme.

Mir war es wichtig, zwei Männer zu zeigen, die nicht nur zwanglosen Sex haben, sondern wirklich eine liebevolle Beziehung führen.

Matthew Lopez

Man kennt Sie seit Jahren als gefeierten Theaterautor. Haben Sie immer auch schon vom Film geträumt?
Dass ich beim Theater lande, war irgendwie immer klar, denn das gehörte seit jeher zu meiner Familiengeschichte. Schon alleine, weil meine Tante Priscilla als Schauspielerin und Musical-Star erfolgreich war und sogar einen Tony gewonnen hat. Aber als „baby gay“ in den Neunzigern hat mich natürlich auch das damalige Kino unglaublich geprägt, von „Bound“ von den Wachowskis bis zu Tarantinos „Pulp Fiction“. Was für eine Film-Ära!

Dass nun in meinem ersten eigenen Spielfilm Uma Thurman mitspielt, ist für mich übrigens immer noch der absolute Wahnsinn. Den Wunsch, auch mal selbst bei einem Film Regie zu führen, habe ich immer mit mir herumgetragen. Ich habe nur gewartet, bis die Zeit reif war.

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Wenn dieser Tage queere Geschichten mit Mainstream-Appeal erzählt werden, ist die Frage immer: Wie viel Platz hat darin eigentlich das Thema Sex. Wie haben Sie da die richtige Balance gefunden?
Finden Sie, „Rot, Weiß und Königlich Blau“ hat zu wenig Sex? Ich würde sagen, dass wir eigentlich genau das Maß gefunden haben, das es braucht, um diese Geschichte glaubhaft zu erzählen. In der Romanvorlage besteht kein Zweifel daran, dass Alex und Henry ein sehr stabiles Sex-Leben genießen.

Und mir war es vor allem wichtig, zwei Männer zu zeigen, die nicht nur zwanglosen Sex haben, sondern wirklich eine liebevolle, emotionale Beziehung miteinander führen, auf allen Ebenen. Denn das ist etwas, was wir meiner Meinung nach in Filmen und Serien letztlich noch immer viel zu selten sehen. Das Thema Sex war mir also für diese Geschichte durchaus wichtig, nur eben nicht ausschließlich um seiner selbst willen.

Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, warum queere Romanzen aktuell gerade im Adels-Kontext so beliebt sind? Sind Ihr Film oder auch die Serie „Young Royals“ die LGBTQIA-Märchen unserer Zeit?
Dass die Menschen sich für Märchenprinzen und ähnliches begeistern, ist ja wirklich kein neues Phänomen. Die Popularität des Genres Märchen mag schwanken, aber verschwunden war es noch nie. Aktuell wundert es mich nicht, dass den Leuten scheinbar verstärkt der Sinn nach Ablenkung steht, und natürlich weiß jede*r mit minimalsten Psychologiekenntnissen, dass Märchen das perfekte Vehikel für unsere Projektionen und Wünsche auf eine bessere, heile Welt sein können.

Dazu kommt etwas, das auch schon in Ihrer ersten Frage durchschien: mehr denn je sehnt sich unsere Community nach Repräsentation auch auf den höchsten Ebenen und in höchsten Erfolgssphären. Queere Exzellenz, sozusagen. Deswegen träumen wir davon, endlich queere Menschen in allen Macht- und Einfluss-Positionen zu sehen. Nicht dass womöglich nicht schon die Geschichtsbücher voll sind mit ihnen. Bislang wussten wir nur eben nie etwas von ihren queeren Identitäten.

Eine Frage noch zu Ihrem Theaterstück „The Inheritance“, das 2018 zunächst in London Premiere feierte. Hat Sie dessen weltweiter Erfolg überrascht?
Oh ja, ich hätte nie damit gerechnet, dass diesem Stück auf der ganzen Welt so viel Liebe entgegengebracht wird. Oder überhaupt irgendwo, denn das ist bei einer Geschichte, in der es um schwule Männer, Aids und ähnliche Themen geht, ja nun wirklich keine Selbstverständlichkeit. Im Rückblick kann ich sagen, dass diese Stück wirklich mein Leben und vor allem meine Karriere verändert hat. Plötzlich hatte ich ungeahnten Wind in den Segeln, der mich noch immer trägt.

Was die Zukunft bringt, muss man jetzt erst einmal sehen. Ich werde nie nicht am Theater arbeiten, dazu gehört es viel zu sehr zu meiner Identität. Aber das Filmemachen hat mir so unglaublich viel Spaß gemacht, dass ich jetzt schon weiß, dass „Rot, Weiß und Königlich Blau“ nicht meine letzte Regiearbeit gewesen sein wird.

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