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Flüchtlinge aus Mali im Flüchtlingslager in Maingaize im Niger an der Grenze zu Mali.

© dpa/Carola Frentzen

Abzug der Bundeswehr aus Mali: Die humanitäre Hilfe in der Sahelzone braucht einen Neustart

In Mali herrscht Terror. Trotzdem ist der Abzug der Bundeswehr aus dem Krisenstaat richtig. Um den Menschen in dem westafrikanischen Land zu helfen, braucht es einen neuen Ansatz.

Ein Gastbeitrag von Philipp Lang

Die Krise im westafrikanischen Mali verschärft sich. In weiten Teilen des Landes haben terroristisch-dschihadistische Gruppen die Kontrolle übernommen.

Hundertausende wurden aus ihren Dörfern vertrieben, Millionen sind auf Unterstützung angewiesen. Immer wieder kommt es zu brutalen Angriffen auf die Zivilbevölkerung.

Der Zugang zu den Menschen in den umkämpften Gebieten wird für die humanitären Helfer immer gefährlicher, wie die Mitarbeiter unserer lokalen Partnerorganisationen berichten.

Wie sich die Lage über Jahre zuspitzte

In dieser Situation ziehen sich die westlichen Akteure zurück, die jahrelang versucht haben, die Lage in Mali vor allem militärisch zu stabilisieren. Frankreich ist bereits gegangen, nach einem letzten im Bundestag gefassten Beschluss wird auch die Bundeswehr ihren Abzug schrittweise beginnen und bis Ende Mai 2024 das Land verlassen haben.

Die Erwartungen vieler Malier an Deutschland sind hoch.

Philipp Lang, Länderreferent für Mali bei Caritas international.

Der Abzug ist aus unserer Sicht folgerichtig, weil das Mandat der Bundeswehr und die Realitäten vor Ort schon seit längerem nicht mehr zueinanderpassen.

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Ein Neustart in den Beziehungen zu Mali ist notwendig. Die Bereitschaft der Bundesregierung, die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit aufrechtzuerhalten und auszubauen ist richtig. Klar ist aber auch: Deutschland trägt große Verantwortung und vieler Malier hegen hohe Erwartungen.

Was ist notwendig?

Um zukünftig als glaubwürdig wahrgenommen zu werden, sollten auch die „westlichen“ Partner Malis eigene Versäumnisse eingestehen.

In einer wirklichen „Partnerschaft auf Augenhöhe“ können und müssen von der malischen Regierung dann demokratische und menschenrechtliche Standards eingefordert werden – sowohl hinsichtlich der für Februar 2024 geplanten Präsidentschaftswahlen als auch mit Blick auf das militärische Vorgehen im Antiterrorkampf. 

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Millionen Malier sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Für die humanitäre Hilfe besteht die größte Herausforderung darin, ausreichend Mittel zu mobilisieren, um der immensen Not in Mali und der Sahel-Region zumindest annährend begegnen zu können. Die Vereinten Nationen (UN) schätzen die Zahl der Malier, die auf Hilfe angewiesen sind, derzeit auf etwa acht Millionen.

Das Engagement muss über finanzielle Unterstützung hinausgehen

Die knappen staatliche Ressourcen Malis fließen aber vor allem in den Sicherheitsapparat. Ohne externe finanzielle Unterstützung für die notleidenden Bevölkerung droht eine humanitäre Katastrophe.

Doch nur mit ausreichend Geld ist es nicht getan. Auch die humanitären Helfer müssen sich die Frage stellen, wie notwendige Reformen aussehen könnten.

Viele unserer lokalen Partner in Mali und der Sahel-Region berichten, dass sie bisher allzu oft außenvorgelassen werden und dass wichtige Entscheidungen in der Konzeption und Umsetzung von Projekten vorrangig von internationalen Nichtregierungsorganisationen und UN-Organisationen getroffen werden.

Mangel an Trinkwasser ist eines der größten Probleme für die Bevölkerung der Wüstengebiete in der Sahel-Zone.
Mangel an Trinkwasser ist eines der größten Probleme für die Bevölkerung der Wüstengebiete in der Sahel-Zone.

© imago images / Le Pictorium/imago classic

Den lokalen Organisationen bleibt oft nur die Rolle als Umsetzungsorgan, insbesondere in den am schwierigsten zugänglichen Regionen. Diese Rollenaufteilung hat sich auch in anderen Gebieten wie in der Tschadseeregion oder in der Zentralafrikanischen Republik eingespielt.

Der Grundsatz einer stärkeren Ausrichtung auf lokale Partner, auf den man sich beim Humanitären Weltgipfel 2016 in Istanbul geeinigt hatte, bleibt bisher zu oft ein Lippenbekenntnis. Vom Mindestziel, ein Viertel der Hilfsgelder direkt über lokale Organisationen umzusetzen, ist man weit entfernt.

Internationale Hilfe „von unten“

Die internationalen Geber und Hilfsorganisationen sollten das Prinzip „so lokal wie möglich“ zu arbeiten ernst nehmen. Planungs- und Entscheidungsprozesse müssen geöffnet und transparenter werden.

Nur mit ausreichend Geld ist es nicht getan.

Philipp Lang, Länderreferent für Mali bei Caritas international.

Hilfsprogramme sind viel stärker „von unten“ zu konzipieren, staatliche Koordination und lokale Gemeindeverwaltungen müssen stärker bei Planung und Umsetzung von Hilfen berücksichtigt werden, Parallelstrukturen sind zu vermeiden.

Auch die ungleichen Gehaltsstrukturen zwischen internationalen Organisationen und UN-Agenturen auf der einen und lokalen Organisationen auf der anderen Seite gehören auf den Prüfstand, denn sie erschweren den wichtigen Aufbau professioneller lokaler Kapazitäten.

Insbesondere bei humanitären Großkatastrophen, wie derzeit in der Erdbebenhilfe in der Türkei und Syrien, erleben wir immer wieder, dass durch die attraktiveren Gehälter der internationalen Akteure die Helferinnen und Helfer von den lokalen Organisationen abgeworben werden.

Diese Reformen endlich anzugehen, gehört zu einem Neustart in den Beziehungen zu Mali. Und entspricht dem Ziel einer „feministischen Außenpolitik“ der Bundesregierung, die Gleichberechtigung und den Abbau von Machtungleichgewichten in den Fokus stellt – nicht nur in Mali.

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