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„I’m the hoochie coochie man.“ US-Außenminister Antony Blinken singt Muddy Waters im State Department.

© AFP/Mandel Ngan

Blinken’s got the Blues: Drei Akkorde für die regelbasierte Weltordnung

Privat macht „ABlinken“ Musik wie eine überdurchschnittliche Eagles-Coverband. Jetzt startet der US-Außenminister eine „Global Music Diplomacy Initiative“. Kann eine Jamsession den Weltfrieden retten?

Eine Glosse von Cornelius Dieckmann

Im Blues ist immer irgendwas schlimm. Frau weg, Mann brutal, Flasche leer, selbst der eigene Hund hasst einen. Außerdem droht Putin mit einem Atomschlag.

Ob Antony Blinken einen Hund hat, ist nicht bekannt. Aber er hat Probleme in Sachen Weltfrieden. Und eine Idee.

Am Mittwoch hat der US-Außenminister eine „Global Music Diplomacy Initiative“ gestartet, was, sind wir ehrlich, erstmal ziemlich langweilig klingt, nach Symphoniker-Subventionierung und Blockflötenpädagogik. Vermutlich wusste das auch Blinken. Bei der Vorstellung im State Department stellte er sich deshalb samt Band selbst auf die Bühne, über der Schulter eine schwarze Stratocaster (linkshändig wie Hendrix), und sang „Hoochie Coochie Man“ von Muddy Waters. Erstaunlicherweise war das gar nicht mal so peinlich.

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Blinkens musikalische Wurzeln liegen tief. Auf Spotify verbirgt sich hinter dem Künstler Ablinken – gesprochen: Abe Lincoln –, das aus drei Songs bestehende Oeuvre von Amerikas Chefdiplomat. „Lip Service“, „Patience“ und „Without Ya“ klingen wie die unironischen Heimstudio-Aufnahmen eines Familienvaters, der Sehnsucht nach seiner Siebzigerjahre-Jugend hat, in der er offenbar sehr viel Eagles, Elvis Costello, Pink Floyd, Bee Gees und Peter Frampton gehört hat. Blinken ist an der Gitarre und den Vocals nicht schüchtern.

Dad Rock ist endlich Staatsräson! Was war es für eine Social-Media-Sensation, als im April Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol das Weiße Haus besuchte, von Gastgeber Joe Biden ein Mikrofon in die Hand gedrückt bekam und textsicher eine Strophe von Don McLeans Ballade „American Pie“ schmetterte? Ein PR-Coup für Washington und Seoul, mit allen Zutaten für einen viralen Hit.

Kann eine Jamsession den Weltfrieden retten? Jedenfalls feierten die USA nur vier Monate später ihren wohl größten diplomatischen Durchbruch des Jahres: Im Präsidentenquartier Camp David empfing Biden nicht nur Yoon, sondern auch den japanischen Premier Fumio Kishida. Das Dreiertreffen hatte noch kurz zuvor angesichts der historischen Kolonialunterdrückung Koreas durch Japan als undenkbar gegolten. Im Systemwettkampf mit China ist die neue trilaterale Allianz für Washington unbezahlbar.

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Allerdings hat offensichtlich auch Peking festgestellt, dass nach der überaus effektiven Pingpong- und Panda-Diplomatie die außenpolitische Technik der Stunde Musik-Diplomatie ist. Als Chinas Partei- und Staatsdirigent Xi Jinping im April Emmanuel Macron empfing, führte er den französischen Präsidenten vor den Kameras des Staatsfernsehens zum Privatkonzert einer Virtuosin an der Guzheng, der klassischen ostasiatischen Zither. Macron lauschte andächtig, die Hand am Kinn, und wies, kaum war der Schlusston verklungen, seine Mitarbeiter an, den Namen des Liedes aufzuschreiben.

„Wasserstrom in hohen Bergen“, erklärte Xi dem Franzosen, handle von einer „legendären Freundschaft“ zwischen Seelenverwandten. Macron war charmiert.

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Es war eine etwas hölzernere Angelegenheit als das Yoon-Gastspiel im Weißen Haus, wo schon Barack Obama „Sweet Home Chicago“ intoniert und Bill Clinton Saxofon gespielt haben. Andererseits sollte man als Deutscher mit solchen Beurteilungen nicht so vorlaut sein, hier, im Mutterland der musikalischen Hüftsteifheit.

Lässt sich ein Olaf Scholz vorstellen, der beim Gipfeltreffen im Kanzleramt Achim Reichels Hamburger Globetrotter-Hymne „Aloha Heja He“ anstimmt? Lieber nicht. Hierzulande wird kulturgestaatsministert und zapfengestrichen. Das höchste der Gefühle in puncto Authentizität ist es, wenn Ministerpräsident Daniel Günther auf der Kieler Woche in ein Mikro gröhlt, seine „Puffmama“ heiße Layla, und sie sei „schöner, jünger, geiler“. Immerhin: Justizminister Marco Buschmann produziert als „MBSounds“ Techno-Tracks auf der Plattform Soundcloud. Er remixt dort Christian-Lindner-Reden.

Was den Erfolg als Künstler angeht, kann Buschmann, dessen jüngstes Werk stolze 599 Aufrufe hat, sich sogar mit dem US-Außenminister messen. Laut Spotify-Statistik hat Ablinken ausbaufähige 710 monatliche Hörer. Die Stadt mit der höchsten Anzahl an Fans ist demnach Washington: Es sind 34. Das sind neun Personen mehr, als im US-Regierungskabinett sitzen.

Kann man alles belächeln. Andererseits ist in der außenpolitischen Debatte gerade viel die Rede von einem notwendigen Neo-Idealismus. Du willst eine regelbasierte Weltordnung? Sag’s mir in einem Lied! Wie sang Elvis Costello: What’s so funny ’bout peace, love, and understanding?!

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