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 Sarajevo: Press conference of the High Representative in Bosnia and Herzegovina, Christian Schmidt The High Representative in Bosnia and Herzegovina, Christian Schmidt, used the Bonn powers today and imposed technical changes to the Election Law of Bosnia and Herzegovina. During the press conference in the OHR building, Schmidt said that there are no first- and second-degree citizens in Bosnia and Herzegovina and that there are three constitutive nations living in it, in Sarajevo, Bosnia and Herzegovina, on July 27, 2022. ArminxDurgut/PIXSELL

© imago/Pixsell / IMAGO/Armin Durgut/PIXSELL

Wutanfälle, Drohungen und fehlende Fingerspitzen: Die Fehlleistungen Christian Schmidts in Bosnien-Herzegowina

Wegen unbeherrschter Auftritte und Alleingänge ist Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant in Sarajevo, unter Druck. Jetzt, wo die Regierungsbildung in dem Balkanland scheitert, gerät er erneut in die Kritik.

Streng und mit ernster Miene sprach Bosniens ranghöchster Auslandsdiplomat den notorischen Dauerstreithähnen seines Gastlandes ins Gewissen. Die Demokratie verliere „ihren Sinn, wenn der Wählerwille nicht respektiert wird“, mahnte Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft (OHR), am Freitag. Die Parteien im Teilstaat der bosniakisch-kroatischen Föderation sollten endlich eine Regierung formen: „Dies ist mein letzter Aufruf, zur Vernunft zu kommen.“

Tatsächlich ist es nicht der erste Versuch des Deutschen, die bereits seit 2018 blockierte Regierungsbildung in dem Teilstaat zu ermöglichen. Ungewohnt geeint harrte Bosniens geteilte Nation nach der Schließung der Wahllokale im Oktober gespannt auf erste Analysen und Ergebnisse.

Doch ausgerechnet Schmidt drängte sich nach den Parlaments-, Teilstaats- und Präsidentschaftswahlen im Vielvölkerstaat als erster ins Fernsehbild. „Während Sie gewählt haben, habe ich Entscheidungen getroffen, um sicherzustellen, dass Ihre Stimme zählt“, verkündete der frühere Bundeslandwirtschaftsminister und CSU-Politiker.

Kritik von Medien

Während des Wahlvorgangs hatte der Franke eine Änderung des Wahlgesetzes verfügt und damit massive Kritik ausgelöst. Schmidt begründete dies damit, die Blockade zu lösen. Dieses Ziel hat er allerdings nicht erreicht hat: Am Donnerstag ist die fristgerechte Bildung einer Regierung gescheitert. Schmidt habe nicht mit der Möglichkeit von unterschiedlichen Koalitionen in den beiden Kammern des Regionalparlaments gerechnet, erklärte die Agentur „Balkaninsight“ die gescheiterte Operation.

Der OHR-Chef habe es in seiner „wenig überzeugenden“ Erklärung vermieden zu sagen, dass er selbst für die Blockade verantwortlich sei, kritisierte das Portal „klix.ba“: Nach eineinhalb Jahren in Bosnien habe er bereits den heimischen Politikerbrauch angenommen, „die Verantwortung für das eigene Tun anderen anzulasten“.

Viel Macht, wenig Fingerspitzen

Tausende aufgebrachter Demonstranten forderten am letzten Wochenende zum wiederholten Male den Rücktritt des Deutschen: Sie werfen dem OHR-Chef vor, zu stark auf die Einflüsterungen aus Zagreb und Belgrad zu lauschen – und mit der faktischen Unterstützung von nationalistischen Parteien wie der kroatischen HDZ oder serbischen SNSD die Teilungen des Landes zu vertiefen.

Eigentlich soll der mit erheblichen Vollmachten ausgestattete OHR-Chef darüber wachen, dass das Dayton-Friedensabkommen von 1995 eingehalten wird. Doch Schmidt, der von Angela Merkel kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit im August 2021 ins Amt gehievt wurde, löst in seinem Gastland selbst anhaltende Kontroversen aus.

Die gute Absicht und sein bemühter Einsatz sind Schmidt kaum abzusprechen. Doch es mangelt dem langjährigen Bundestagshinterbänkler an Fingerspitzengefühl und ausreichend diplomatischer Erfahrung für Bosniens sehr glattes politisches Parkett. Dazu hat der CSU-Politiker einen hartnäckigen Hang zum ungelenken und unglücklichen Auftritt.

Srebrenica als „genozidartig“ bezeichnet

Schon sein Tobsuchtsanfall bei einer Pressekonferenz im November bestärkten Kritiker in dem Eindruck, dass der Mann aus Obernzenn mit seiner Bosnien-Mission überfordert sei. Nicht nur muslimische Opferverbänden reagierten entrüstet, als der 65-Jährige im März den Völkermord von Srebrenica als „genozidartige Situation“ bezeichnete.

Auch nach dem Wechsel der CDU/CSU in die Opposition hat Berlin sich bisher immer demonstrativ hinter Schmidt gestellt. Doch auch in Deutschland beginnt sich die Kritik an dem OHR-Chef zu mehren.

Neben der Gesellschaft für bedrohte Völker hat kürzlich auch eine Gruppe deutscher Ex-Diplomaten und Balkanexperten in einem Brief an den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags die Ablösung des CSU-Veteranen gefordert: Schmidt füge dem Friedensprozess in Bosnien und dem Ansehen der Bundesrepublik „nachhaltigen Schaden“ zu. Nach Tagesspiegel-Informationen ist für diesen Monat ein Gespräch Schmidts im Ausschuss geplant.

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