zum Hauptinhalt
Die Präsidenten Südafrikas und Chinas, Cyril Ramaphosa und Xi Jinping, beim 11. Brics-Gipfel 2019 in Brasilien, damals noch mit Wladimir Putin.

© Imago/Itar-Tass/Mikhail Metzel

Brics-Gipfel in Südafrika: Wirtschaftskraft allein reicht nicht für die Weltmacht

Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika möchten die G7 ablösen. Doch eine gemeinsame Strategie fehlt. Russland und China agieren zudem selbst wie Kolonialmächte.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Muss man wissen, wer die Brics sind? Besser wär’s. Die fünf Staaten, die sich ab Dienstag zum 15. Gipfel in Südafrika treffen, wollen die globale Ordnung umstürzen, die die Erfolgsbasis für den deutschen Wirtschaftserfolg und Wohlstand ist sowie Grundlage westlicher Dominanz in der Welt.

Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika – Brics steht für ihre Anfangsbuchstaben – betrachten die Deutschen, Europäer und Amerikaner zwar nicht durchweg als Feinde. Aber sie wollen selbst auf die Sonnenseite des Lebens und an die Schalthebel der Macht.

Sie möchten die G7, das Bündnis der größten westlichen Wirtschaftsmächte – USA, Kanada, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien – als Aufsichtsrat der Erde ablösen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ökonomisch stärker als die G7

Ökonomisch sind die Brics ihrem Ziel nahe. Mit einem Anteil von 31,5 Prozent an der Weltwirtschaft haben sie die G7 (30,7 Prozent) kürzlich überholt – sofern man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Kaufkraft berechnet. Diese neuen Zahlen hätten Deutschland wachrütteln müssen. 2002 lautete das Verhältnis noch 42 zu 19 Prozent und 2012 33 zu 28 Prozent zugunsten der G7.

In absoluten Zahlen ist das Verhältnis noch umgekehrt: Das BIP der G7 beträgt 46 Billionen Dollar, das der Brics 28 Billionen Dollar. Doch der Machtwechsel ist im Gang. In den fünf Brics leben zudem mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung, die künftigen Konsumenten, in den G7 weniger als zehn Prozent.

Wem gehört da wohl die Zukunft? Die ökonomische Dynamik spricht für die Brics.  Doch geopolitische Macht beruht nicht allein auf Wirtschaftskraft. Sie kommt zum Tragen durch einen einheitlichen politischen Willen.

Die EU ist ökonomisch ähnlich stark wie die USA und China, aber offenkundig keine dritte Supermacht neben ihnen. Den EU-Staaten gelingt es nicht, einen einheitlichen politischen Willen zu organisieren.

Haftbefehl gegen Putin: Er kommt nicht

Der koordinierte Wille fehlt auch den Brics. Der russische Präsident Wladimir Putin kommt nicht zum Gipfel. Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl als Kriegsverbrecher vor. Südafrika müsste – und würde – ihn vollstrecken. Keiner der Brics-Partner unterstützt Moskau offen im Ukrainekrieg.

Der Kitt, der sie zusammenhält, ist ein Narrativ, das auf Verhinderung abzielt, nicht auf Kooperation. Sie wollen keine „unipolare“ Welt mit den USA als einziger Supermacht, sondern eine multipolare Ordnung ohne westliche Dominanz.

Auf ihren Gipfeln schwadronieren sie, wie sie die Macht des reichen Nordens brechen und den globalen Süden stärken wollen. Im Alltag folgt wenig daraus. Sie haben keine gemeinsame Währungspolitik gegen die Dominanz des Dollars. Und keine gemeinsame Handelspolitik, während der Westen mit einem Netz aus Freihandelsabkommen globale Normen setzt.

Manche Mitglieder nutzen die Brics als Vehikel für ihre regionale Vorherrschaft. Brasilien will die Führungsmacht Südamerikas sein, Südafrika die der 54 Staaten auf dem afrikanischen Kontinent. Da haben ihre regionalen Rivalen etwas dagegen: Argentinien in Südamerika, Nigeria und Ägypten in Afrika. In Asien konkurrieren China und Indien sogar innerhalb der Brics um die Dominanz. 

Ein überzeugendes Narrativ fehlt

Auch ein dritter Faktor globaler Macht fehlt: Wer hat das überzeugendere Narrativ, um Partner an sich zu binden, die Brics oder ihre Rivalen in der Welt? Der Westen kennt den Schaden für die Glaubwürdigkeit, wenn er Werte predigt, sich aber nicht an sie hält.

Bei den Brics sind die Widersprüche noch größer. Indien führte im Kalten Krieg die Bewegung der Blockfreien, die sich weder dem Westen noch dem Ostblock zuordnen wollten. Heute lässt es ich von Russland mit Waffen und Öl versorgen.

Russland und China geben sich als Anwälte ehemaliger Kolonien im globalen Süden gegen ihre früheren Kolonialherren aus Europa aus. Aber sie agieren selbst wie Kolonialmächte. Putin führt Krieg in der Ukraine, damit die sich nicht aus Moskauer Fremdherrschaft befreien kann.

China macht sich mit seiner angeblichen Entwicklungshilfe auf dem Balkan und im globalen Süden keine Freunde. Es beutet Rohstoffe in Afrika aus und hinterlässt mit seinen Infrastrukturprojekten Staaten in hoher Verschuldung und Abhängigkeit.

Ernst nehmen, aber nicht größer machen

Was folgt daraus für den deutschen Umgang mit den Brics? Ihr ökonomischer Aufstieg macht sie zu einer potenziellen Bedrohung. Zu einer realen werden sie, wenn sie ihre Schwächen überwinden. Bisher ist Deutschland ihnen mit einer Mischung aus Arroganz, Ignoranz und Überschätzung begegnet.

Ignoranz: Ihre wirtschaftliche Bedeutung wird abgetan, als seien sie nur Schwellenländer. Arroganz: Statt Brasilien und andere Staaten in Südamerika als Partner auf Augenhöhe zu behandeln, möchten Deutschland und die EU ihnen die eigenen Vorstellungen vom Umgang mit Regenwald und Klimapolitik aufzwingen.

Überschätzung: Regelmäßig geistern Angstszenarien durch die deutschen Debatten. Warnungen vor einem Militärbündnis Chinas mit Russland und vor Chinas unaufhaltsamem Aufstieg zur alleinigen Weltmacht. Die Präsidenten Putin und Xi sind keine Freunde. Ökonomisch taumelt China in eine schwere Krise.

Deutschland fährt am besten, wenn es die Brics ernst nimmt, aber nicht größer macht, als sie sind. Wenn es seine Bündnisse mit den Demokratien in Nordamerika und Asien stärkt. Und im Umgang mit Brasilien, Indien, Südafrika und dem globalen Süden selbst glaubwürdiger auftritt sowie die Glaubwürdigkeitsdefizite Chinas und Russlands offen anspricht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false