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Qin Gang (links) wurde am 25. Juli als Außenminister entlassen und von seinem Vorgesetzten und Vorgänger Wang Yi ersetzt.

© Bearbeitung: TSP | imago/Tomas Trutschel/Meng Jing, PantherMedia

Erst verschwunden, dann entlassen: Was steckt hinter der Amtsenthebung von Chinas Außenminister?

Qin Gang, von dem seit Wochen jede Spur fehlt, wird ohne Erklärung durch seinen Chef und Vorgänger Wang Yi ersetzt. China-Experte Nis Grünberg hält zwei Szenarien für möglich.

Herr Grünberg, nach nur sieben Monaten im Amt ist Qin Gang als Außenminister Chinas entlassen worden. Seit vier Wochen fehlt von ihm jede Spur, es gibt Gerüchte über eine Affäre mit einer TV-Moderatorin. Ist es denkbar, dass Qin für private Verfehlungen bestraft wurde?
Noch haben wir nicht genug Informationen, um sagen zu können, was genau passiert ist. Die beiden wahrscheinlichsten Szenarien sind ernste gesundheitliche Probleme oder schwere Disziplinarverstöße.

Es kann sein, dass eine private Affäre dazugehört, aber eine Affäre allein scheint mir zu wenig, um einen für China so unangenehmen und schädlichen Schritt zu rechtfertigen, den Außenminister einen Monat lang abzuziehen – selbst wenn Xi Jinping wiederholt Beamte ermahnt hat, auch im Privaten einen bescheidenen und ehrlichen Lebensstil zu pflegen.

Xi hat schon vor Jahren Tausende Kader unter Korruptionsvorwürfen gestürzt. 2022 demütigte er offenbar sogar seinen Vorgänger Hu Jintao, indem er ihn aus dem Saal führen ließ. Jetzt Qin. Setzt Xi solche Maßnahmen als Machtdemonstration gegen den Rest der Elite ein, nach dem Motto: Vergesst nicht, dass ich euch jederzeit fallen lassen kann?
Bei Qin Gang lässt sich noch nicht sagen, ob er wirklich unehrenhaft entlassen oder schlicht seines Amtes enthoben wurde. Ein Gesundheitsproblem kann wie gesagt nicht ausgeschlossen werden, obwohl es wahrscheinlicher ist, dass disziplinarische und/oder strafrechtliche Untersuchungen hinter seinem Verschwinden stecken.

Also keine Machtdemonstration?
Das ist sehr unwahrscheinlich. Dafür ist der Schaden zu groß, den der Vorgang im wichtigen Außenministerium angerichtet hat. Darauf, dass es vermutlich eher ein plötzlich aufgetretenes Problem war, deutet auch die Wiedereinsetzung von Wang Yi als Qins Nachfolger hin…

…Wang Yi, der bereits von 2013 bis 2022 Außenminister war.
Wahrscheinlich ist Wangs Rückkehr nur eine vorübergehende Lösung. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Schritt länger geplant war.

China, Peking: Außenministerin Annalena Baerbock und Wang Yi, Mitglied des Politbüros
Im April empfing Wang Yi Bundesaußenministerin Annalena Baerbock noch als Außenpolitikchef der Kommunistischen Partei, faktisch Chinas Top-Diplomat. Jetzt ist er zusätzlich wieder Außenminister – wie schon von 2013 bis 2022.

© dpa/Soeren Stache

Ist das ein Einzelfall, oder kann man den Vorgang als ein Symptom eines derzeit extrem unberechenbaren und undurchsichtigen Chinas lesen?
Dass ein wichtiger Minister so lange abwesend ist, ist sehr selten, der Stil des Vorgangs dagegen nicht. Wenn gegen chinesische Offizielle ermittelt wird, verschwinden diese in der Regel aus der Öffentlichkeit, bis die zuständigen Behörden – und die Führung – entschieden haben, was mit ihnen passieren soll und welches Narrativ man präsentieren will.

Die vollständige Informationskontrolle ist der Führung immer ein zentrales Anliegen. Im Ausland wird der Fall die bestehenden Bedenken hinsichtlich Intransparenz und Unberechenbarkeit Chinas jedenfalls nicht gerade verringern.

Wie viel Macht hat der Außenminister überhaupt im chinesischen System, in dem der Staat der Partei untergeordnet ist?
Qin Gang war als Außenminister das Gesicht der staatlichen Administration nach außen, aber er war nicht der ranghöchste Beamte für Außenpolitik. Denn das war bereits zuvor Wang Yi – in seiner Funktion als Direktor des Büros der Zentralen Kommission für Auswärtige Angelegenheiten der Kommunistischen Partei.

Jetzt nimmt Wang zumindest fürs Erste eine Doppelrolle in Partei und Staat ein.
Wang ist Mitglied des Politbüros der Partei und übertrifft jeden Außenminister sowohl in Rang als auch politischem Einfluss. Beide Ämter unterstehen bei strategischen Entscheidungen natürlich der obersten Parteiführung, also dem Ständigen Ausschuss und Xi Jinping.

Das heißt nicht, dass der Außenminister machtlos ist. Aber in den entscheidenden Fragen ist er nur ein Chefunterhändler, der seine Befehle von den ihm vorgesetzten Parteifunktionären erhält. Das gilt umso mehr, seit Xi die Macht übernommen hat.

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