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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht zu 241 eingeladenen Bürgermeistern.

© AFP/Ludovic Marin

Update

Gewalt in Frankreich flaut langsam ab : Macron verspricht Bürgermeistern „grundlegende Antworten“

Nach Wochen der Gewalt beruhigt sich die Lage in Frankreich langsam. Am Dienstag empfing Präsident Macron 241 Bürgermeister aus den besonders betroffenen Städten.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach den tagelangen Unruhen im Land „grundlegende Antworten“ versprochen. Bei einem Treffen mit 241 Bürgermeistern der von den Ausschreitungen besonders betroffenen Städte sagte Macron am Dienstag, es gehe nicht darum, seit Jahrzehnten praktizierte Dinge zu wiederholen, berichtete der Sender BFMTV.

Nötig sei eine „Antwort auf der Höhe dessen, was wir erlebt haben“. Der Höhepunkt der Ausschreitungen sei überschritten, sagte der Präsident, obwohl in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin Vorsicht geboten sei. „Es ist die dauerhafte Ordnung, die wir als oberste Priorität angehen müssen.“

Bei dem Treffen mit den Bürgermeistern wollte Macron sich nach Regierungsangaben zunächst über die Lage in den Städten informieren. Neben moralischer Unterstützung will der Präsident Hilfe bei der Reparatur beschädigter Rathäuser und anderer öffentlicher Einrichtungen anbieten. An dem Treffen nahm auch der Bürgermeister des Pariser Vorortes L’Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun, teil, dessen Privathaus Randalierer am Wochenende mit einem Auto gerammt und in Brand gesteckt hatten.

Lage beruhigt sich weiter

Nach den mehrtägigen Krawallen in Frankreich hatte sich die Lage in der Nacht zum Dienstag weiter beruhigt. Im Großraum Paris ging die Zahl der Festnahmen nach Behördenangaben erneut zurück, größere Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.

Präsident Macron besuchte am Montagabend zusammen mit Innenminister Gérald Darmanin eine Polizeikaserne im 17. Arrondissement und führte kurz nach Mitternacht Gespräche in der Polizeipräfektur von Paris, wie der Elysée-Palast mitteilte.

In der Ile-de-France wurden bis 23.30 Uhr 17 Menschen festgenommen - nach 40 am Vorabend und 400 am Donnerstag vergangener Woche. Die massive Präsenz von 45.000 Sicherheitskräften wurde aufrechterhalten. Dies habe der Präsident angeordnet, „um die Rückkehr zu Ruhe und Ordnung zu unterstützen“, hieß es im Umfeld Macrons. Insgesamt wurden in der Nacht zum Dienstag 72 Personen festgenommen.

Schäden in Millionenhöhe allein in Paris

In der Bessières-Kaserne sprach Macron demnach mit Polizisten, Spezialeinsatzkräften sowie Feuerwehrleuten, „um ihnen für ihren Einsatz in den vergangenen Tagen zu danken und ihnen seine Unterstützung zuzusichern“, hieß es weiter. Der Besuch war im Vorfeld nicht angekündigt worden.

Die tagelangen Unruhen in Frankreich wurden durch den Tod des Jugendlichen Nahel M. ausgelöst. Der 17-Jährige war vergangene Woche Dienstag von einem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre erschossen worden.

Für den Großraum Paris wurden unterdessen erste Zahlen zum Ausmaß der Schäden bekannt. Laut einer ersten Schätzung der Verkehrsverbände der Ile-de-France (IDFM) entstanden durch verbrannte Busse und andere Zerstörungen Schäden von „mindestens 20 Millionen Euro“.

Polizisten patrouillieren vor dem Arc de Triomphe auf der Champs Elysees in Paris.
Polizisten patrouillieren vor dem Arc de Triomphe auf der Champs Elysees in Paris.

© dpa/Christophe Ena

Die wichtigsten Arbeitgeberverbände riefen die Regierung zur Unterstützung von betroffenen Händlern und Unternehmern auf und forderten einen „Hilfsfonds“ für „diejenigen, die alles verloren haben“.

Der wirtschaftliche Schaden durch die anhaltenden Unruhen in Frankreich ist nach Einschätzung der Arbeitgebervereinigung Medef gewaltig. „Es ist noch zu früh, um eine genaue Zahl zu nennen, aber wir liegen bei über einer Milliarde Euro, ohne die Schäden für den Tourismus zu berücksichtigen“, sagte Medef-Chef Geoffroy Roux de Bézieux der Zeitung „Le Parisien“. Über 200 Geschäfte seien vollständig geplündert, 300 Bankfilialen zerstört und 250 Kioske in Mitleidenschaft gezogen worden.

Arbeitgeber-Chef warnt vor Tourismuseinbruch

„Die Videos der Unruhen, die in der ganzen Welt kursierten, beschädigen das Image Frankreichs“, sagte der Arbeitgeber-Chef. „Es ist immer schwer zu sagen, ob die Auswirkungen dauerhaft sind, aber es wird sicherlich einen Rückgang der Buchungen in diesem Sommer geben, obwohl die Saison vielversprechend war.“ Einige Touristen hätten ihre Aufenthalte bereits storniert.

Premierministerin Élisabeth Borne hatte zuvor mit den Fraktionsvorsitzenden beider Parlamentskammern über die Krise beraten. Am wichtigsten sei nun, die Ruhe im Land wiederherzustellen mit massiver Polizeipräsenz und einem entschiedenen Vorgehen der Justiz, sagte Borne.

Nach Regierungsangaben wurden in den vergangenen Tagen über 4000 Menschen bei Ausschreitungen festgenommen. 684 Polizisten und Feuerwehrleute seien verletzt worden. Laut dem Sender BFMTV wurden erste Beteiligte bereits im Schnellverfahren verurteilt, unter anderem zu Haftstrafen mit elektronischer Fußfessel.

Innenminister warnt vor Stigmatisierung von Ausländern

Frankreichs Innenminister warnte vor einer Stigmatisierung von Ausländern. „Die Frage ist heute die nach den Straftätern, nicht nach den Ausländern“, sagte Darmanin am Dienstag im Parlament in Paris. Unter den 4000 Festgenommen der vergangenen Tage hätten weniger als zehn Prozent nicht die französische Nationalität, lediglich 40 von ihnen drohe die Abschiebehaft.

„Wir wollen weder Hass gegen die Polizei, noch Hass gegen Ausländer. Wir wollen Liebe für die Republik.“ Es sei möglich, einen Migrationshintergrund zu haben, aus den Vorstädten zu stammen und sein Land zu lieben, sagte Darmanin aufgebracht am Rednerpult.

Gegen den Beamten, der den tödlichen Schuss auf den 17-jährigen Jugendlichen abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt. Frankreich sei ein Rechtsstaat und auch die Polizei an Gesetze gebunden, betonte die Regierung am Montag. Die Polizei habe aber keine systemischen Probleme mit Rassismus oder leichtfertigem Einsatz von Schusswaffen.

Gerade in den vergangenen Tagen habe sie vielmehr Professionalität und Augenmaß bewiesen - trotz heftiger Ausschreitungen seien weder Randalierer noch Beamte zu Tode gekommen. Der Tod des Jugendlichen sei gleichwohl tragisch und bewege verständlicherweise die Gemüter. Auf Forderungen nach einer Polizeireform ging die Regierung bisher nicht ein. (dpa/AFP)

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