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Der Kerl mit der Kettensäge. Javier Milei im Wahlkampf mit seinem Lieblingsutensil.

© dpa/Natacha Pisarenko/Bearbeitung Tagesspiegel

Nationalisten und Rassisten als Wahlsieger: Werden unsere Demokratien zu Autokratien?

Die Niederlande könnte bald ultrarechts regiert werden, in Argentinien gewannen rechtsradikale Außenseiter, in den USA droht Donald Trump. Die westliche Demokratie steht immens unter Druck.

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Die einen gehen nicht mehr wählen, die es noch tun, verhelfen immer öfter Leuten mit radikalen, teils menschenfeindlichen Programmen zum Sieg. Argentiniens neuer Präsident will sogar die Zentralbank und die nationale Währung abschaffen, Donald Trump in den USA schwört für den Fall seines Wahlsiegs Rache an seinen Gegnerinnen und Gegnern, gegen alle demokratischen Spielregeln. Der Trend läuft weltweit zugunsten von Autoritarismus – oder?

In unserer Serie „3 auf 1“ nennen drei Fachleute Gründe für den Trend und Möglichkeiten, ihn zu brechen. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Wir brauchen mehr Gerechtigkeit

Es gibt einen globalen Trend, dass Demagogen zunehmend an die Macht gelangen. Das hat mit zwei Faktoren zu tun: ihrer Kommunikation und der Realität, auf die diese Kommunikation fällt. Überall erzählen Demagogen im Prinzip die gleiche Geschichte:

Die vielen Veränderungen in der Welt und die soziale Ungleichheit seien das Resultat einer großen Verschwörung gegen das „normale“ Volk. Nur der starke Onkel könne „die da oben“ aufhalten, um die Veränderung umzukehren und die Welt „wieder normal“ machen.

Das ist eine verlockende Geschichte für alle, die mit den aktuellen Demokratien unzufrieden sind. Die Geschichte ist eine Lüge. Aber die Unzufriedenheit hat einen wahren Kern: Aktuelle Strukturen einer Mischung aus Ausbeutung und politikloser Verwaltung des Status quo sind tatsächlich nicht in der Lage, gute Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu finden.

Wir brauchen mehr Gerechtigkeit. Mehr Demokratie. Neue Wege. Doch stattdessen sind Medien und Politik nur mit den Fragen befasst, die die Populisten aufwerfen, um die Debatte vor sich herzutreiben. Es ist Zeit, über eigene Politik zu reden, statt über Rassismus.


Man will die alten Eliten bestrafen

Wie überall auf der Welt sind auch in Lateinamerika rechtsextreme Demagogen auf dem Vormarsch. Javier Milei ist das jüngste Beispiel. Dennoch zeigen empirische Studien, dass die lateinamerikanische Wählerschaft nicht konservativer geworden ist.

Wie lässt sich dann der Aufstieg der extremen Rechten in dieser Region erklären? Ein Großteil der Antwort heißt: Bestrafung der Amtsinhaber, die nicht in der Lage waren, Themen wie Inflationskontrolle (Argentinien), Kampf gegen die Korruption (Brasilien) oder die Forderung der Bürger nach Sicherheit (El Salvador) anzugehen.

Das Problem besteht darin, dass die Lösungen rechtsextremer Demagogen oft nicht nur falsche Versprechungen sind, sondern auch sehr schädlich für die Demokratie.

In ihrem Eifer untergräbt die extreme Rechte letztendlich eine Reihe von Institutionen, die entscheidend für den Schutz von Minderheiten und die wirksame Kontrolle der Machthaber sind. Je stärker diese rechtsextremen Demagogen weiter werden, desto mehr wird daher die Demokratie in der Region leiden.


Kein Ausweg, weder rechts noch links

Wenn wir politischen Versuchstiere nach mitterechts laufen, laufen wir gegen die Wand. Also nehmen wir den Ausgang mittelinks, aber auch der endet an der Wand. Die Mauer heißt „Staatsverschuldung“ – oder „Schuldenbremse“ in Ländern, die noch nicht verschuldet sind.

Die Schuldenfrage macht  „Volksvertretern“ jegliche Investition unmöglich, sei es in ein Wachstum, das die Inflation bremsen würde (Argentinien), in Ärztinnen (Italien) oder in den Ausbau von Verkehrswegen (Deutschland). Regierungen haben gerade noch so viel Entscheidungsfreiheit wie der Portier eines Mietshauses.

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Deshalb hat Argentinien Javier Milei gewählt – man hoffte, er werde keiner der ewigen Portiers sein. Umsonst. Sein Wirtschaftsminister hat Mileis Radikalismus bereits abgeschworen.

In Italien versprach Giorgia Meloni das Blaue vom Himmel, aber dann stellte sie sich als brave Schülerin heraus, die Brüssel, dem IMF und der Nato gehorcht.

Die Mileis, Melonis und Geert Wilders’ dieser Welt haben dafür die Freiheit, bösartiger mit den Schwachen umzuspringen, unmenschlicher mit Eingewanderten, intoleranter mit denen, die anders sind. Hauptsache, sie akzeptieren die Wand. 

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