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Antifaschistische Demo gegen den „Tag der Ehre“ in Budapest.

© AFP/Ferenc Isza

Neonazi-Treffen „Tag der Ehre“: Europas Rechte marschiert durch Budapest

Hunderte Neonazis sind durch Budapest marschiert, der Aufmarsch blieb aber friedlich. Unmut gab es vor allem bei den Gegendemonstranten: Eine Antifa-Aktivistin bleibt in Ungarn in U-Haft.

Selten zuvor rückte das rechtsextreme Gedenken an die historische „Schlacht um Budapest“ vor 79 Jahren so in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wie in diesem Jahr. In der ungarischen Hauptstadt rückte ein Großaufgebot von Polizisten aus, um gewalttätige Zusammenstöße von Neonazis und linksradikalen Demonstranten zu verhindern.

Der Grund: Im Vorjahr waren vermummte linksradikale Antifaschisten mutmaßlichen Neonazis an mehreren Punkten in Budapest aufgelauert und hatten diese den Gerichtsakten zufolge krankenhausreif geschlagen.

Die verprügelten Neonazis hatten am „Tag der Ehre“ teilgenommen, an dem sich die rechtsradikale Szene Europas seit 1997 in der ungarischen Hauptstadt ein Stelldichein gibt.

Prozess gegen Antifa-Aktivistin schockt Italien

Im Rahmen einer „Gedenk- und Wandertour“ am 10. Februar jeden Jahres wird dabei an den „heroischen Befreiungskampf“ ungarischer und deutscher Soldaten gegen die Rote Armee erinnert – auf beiden Seiten der Front kamen damals weit mehr als 100.000 Menschen ums Leben.

Ausgerechnet wenige Tage vor dem diesjährigen Gedenkmarsch am vergangenen Samstag erregte der Prozess gegen die italienische Antifa-Aktivistin Ilaria Salis, die in Budapest in Untersuchungshaft ist, für internationales Aufsehen.

Laut ungarischer Staatsanwaltschaft soll sich Salis, eine 39-jährige Lehrerin aus Monza bei Mailand, an den „heimtückischen Gewalttaten“ gegen einige Rechtsextremisten im Vorjahr beteiligt haben. Sollte die Italienerin verurteilt werden, droht ihr eine Haftstrafe von elf Jahren.

Proteste in Italien fordern regelmäßig die Freilassung Ilaria Salis.
Proteste in Italien fordern regelmäßig die Freilassung Ilaria Salis.

© AFP/Piero Cruciatti

Neben dem unverhältnismäßig hohen Strafmaß sorgte europaweit auch die Art und Weise für Empörung und Entsetzen, wie Salis vor Gericht geführt worden war, nämlich dreifach gefesselt und an einer Bärenleine.

Ein Mitarbeiter der ungarischen Menschenrechtsorganisation Helsinki-Komitee, Zsolt Zádori, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gemäß des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine „unnötige Fesselung“ wie im Falle von Salis eine „Grundrechtsverletzung“ sei.

Zádori schrieb dieses „entwürdigende“ Vorgehen gegenüber Salis der „populistischen Justizpolitik“ der Regierung von Viktor Orbán zu, die auf Angstmache und Abschreckung setze. Unter Orbán, der seit 2010 regiert, ist der Rechtsstaat in Ungarn nach und nach beschnitten worden. Außerdem hat der ungarische Premier als Fürsprecher einer „illiberalen Demokratie“ das junge demokratische Fundament des Landes systematisch untergraben und einen autoritären Staat errichtet.

Hohe Polizeipräsenz bei Naziaufmarsch

Kritiker werfen Orbán auch vor, dass er mit dem Rechtsextremismus äußerst nachsichtig umgehe. Die neonazistischen Aufmärsche am „Tag der Ehre“ seien denn auch der beste Beweis dafür.

Von der ungarischen Polizei unbehelligt marschieren dabei Hunderte Rechtsextremisten Jahr für Jahr in historischen Uniformen auf, die häufig mit Symbolen des Dritten Reichs versehen sind. Zeitgleich finden seit Jahren auch antifaschistische Gegendemonstrationen in Budapest statt. Wohl wegen der hohen Polizeipräsenz blieben gewalttätige Übergriffe am Samstag aber aus.

In der regierungstreuen Presse Ungarns wurden derweil Breitseiten gegen Antifa-Aktivistin Salis abgefeuert. In einem Meinungsartikel der Zeitung „Magyar Nemzet“ bezeichnet der Publizist László Szentesi Zöldi Salis als „dumm wie einen Kürbis“. Vor hundert Jahren wäre sie wegen ihres Vergehens noch „in vier Fünfteln der Welt gesteinigt worden“, schreibt Szentesi Zöld.

Im ebenfalls regierungsnahen Blatt „Magyar Hírlap“ wiederum bezichtigt der Kommentator Pál Dippold die italienische Aktivistin und deren Umfeld der Lüge. Salis und andere Mithäftlinge hatten über die „unmenschlichen Zustände“ in der ungarischen Haftanstalt geklagt.

Sie berichteten unter anderem von Bettwanzen, Ratten und mangelnder Hygiene. Das Helsinki-Komitee hat in der Vergangenheit über solche Zustände berichtet. Nichts von dem sei wahr, kritisiert Dippold. Mit den ungarischen Gefängnissen sei „alles in bester Ordnung“. Unterdessen sind auf der Mauer um den Budapester Zoo Poster angebracht worden, auf denen Salis am Galgen hängt.

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