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Sicherheitsbeamte und Rettungskräfte versammeln sich am Ort des Selbstmordattentats in einer Moschee in Peschawar.

© dpa/Zubair Khan

Ex-Sicherheitsberater Pakistans: „Einen Kollaps Afghanistans können wir uns nicht leisten – weder hier noch anderswo“

Der frühere Sicherheitsberater Pakistans, Moeed Yusuf, sieht die Isolationsstrategie des Westens gegenüber den Taliban skeptisch. Ein Gespräch über Terrorismus und auch Deutschlands Verantwortung.

Herr Yusuf, worin sehen Sie die größten Herausforderungen für Pakistans Sicherheit?
In seinen Nachbarn. Pakistan grenzt im Westen an Afghanistan und den Iran, zwei international isolierte Staaten. Im Osten wartet Indien, unser Hauptkontrahent wegen des Kaschmirkonflikts. Und im Norden grenzt China an, der einzige Nachbar, mit dem wir gut auskommen.

Im Inland haben uns die Folgen des Afghanistankrieges sehr zugesetzt. Die pakistanischen Taliban (TTP) haben sich gegen uns formiert, weil wir den Westen im Kampf gegen den Terror unterstützt hatten. Das entwickelte sich zu einer existenziellen Gefahr für unser Land, doch wir haben sie erfolgreich bekämpft. Aktuell treten die TTP jedoch wieder von Afghanistan aus in Erscheinung.

Noch vor wenigen Jahren schien es, als hätte Pakistan den Terror in den Griff bekommen, doch jetzt nehmen die Anschläge wieder zu. Hat die Regierung die Kontrolle über die Situation verloren?
Die Gewalt im Land beschränkt sich auf die Grenzregionen mit Afghanistan und dem Iran, vor allem in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Die Terrorbekämpfung Pakistans hat große Fortschritte gemacht und die Bevölkerung steht dem Terrorismus geschlossen entgegen. Ich sehe keine Möglichkeit für die pakistanischen Taliban, Gebiete im Land zu erobern.

Hat sich die Lage durch den Sieg der Taliban in Afghanistan verändert?
Die zwei Gruppen sind zwar verschieden, aber ich glaube, dass die TTP durch den Sieg der afghanischen Taliban ermutigt wurden und Auftrieb erhielten. Sie sind in der Lage, einzelne Anschläge zu verüben und das wird sich von heute auf morgen leider nicht ändern, aber sie stellen keine großflächige Bedrohung mehr da.

Wie gut ist das Verhältnis zwischen Pakistan und Afghanistan aktuell?
Es war schon immer sehr kompliziert. Die Taliban wurden lange Zeit als Stellvertreter Pakistans bezeichnet, aber das ist einfach falsch. Afghanistan ist unser größter Handelspartner und wir wollen friedlich als Nachbarn zusammenleben. Unsere Stabilität ruht auch auf der Stabilität Afghanistans.

Pakistans Regierung verhandelt aktuell mit Afghanistan, um die TTP zur Aufgabe zu bewegen. Was erhoffen Sie sich aus diesen Gesprächen?
Bisher haben sie noch nicht viel gebracht. Dennoch müssen sie weitergehen, denn Afghanistan wird unser Nachbar bleiben, selbst wenn der Rest der Welt der Region den Rücken kehrt. Diese Isolationsstrategie des Westens gegenüber den Taliban stelle ich übrigens infrage. Einen Kollaps Afghanistans können wir uns nicht leisten – weder hier noch anderswo.

Könnten Sie das ausführen?
Wenn Afghanistan kollabiert, wird es eine neue Flüchtlingswelle geben. Millionen von Menschen werden erst nach Pakistan und dann nach Deutschland, Europa und in andere Erdteile fliehen. Der IS hat seit dem Sieg der Taliban schon mehrere Anschläge in Afghanistan verübt. Wenn wir die Situation im Land weiter ignorieren, wird der internationale Terrorismus zurückkehren und Pakistan und den Westen ins Fadenkreuz nehmen. Hier ist auch Deutschland gefragt, um Lösungen zu finden.

Wenn wir die Situation im Land weiter ignorieren, wird der internationale Terrorismus zurückkehren und Pakistan und den Westen ins Fadenkreuz nehmen.

Moeed Yusuf über die Situation in Afghanistan

Wie kann die internationale Gemeinschaft Pakistan unterstützen?
Unsere größte Sorge ist die Wirtschaftslage und nicht der Terrorismus. Die internationale Gemeinschaft kann Pakistan am besten durch Investitionen unterstützen. Und da wir nicht an Lagerpolitik glauben, sind wir sowohl mit China als auch dem Westen eng verknüpft. Wenn Firmen sich aus China zurückziehen, stehen wir bereit, um die Lücke zu füllen.

Warum sollte der Westen in Pakistan investieren, wenn die Sicherheitslage weiterhin angespannt ist und Afghanistan keine Hilfe zusagt?
Ich fordere nicht, Sicherheitsfragen in Pakistan zu ignorieren, aber wir sollten uns viel mehr auf Wirtschaftsthemen konzentrieren. Denn wirtschaftlicher Wohlstand ermöglicht auch eine bessere Sicherheitslage. 

Nimmt man Pakistan international überhaupt genügend wahr? Nicht einmal die verheerende Flut im letzten Jahr hatte ein großes mediales Echo.
Die Welt kann es sich gar nicht leisten, Pakistan als Atommacht und geopolitischen Partner zu vernachlässigen. Aber wir sind in der Tat enorm vom Klimawandel betroffen, obwohl unser Anteil daran sehr gering ist. Alle reden vom Klimaschutz, aber wir sind es, die die Suppe auslöffeln müssen. Wegen der Preiserhöhungen ist Pakistan außerdem vom Ukrainekrieg betroffen. Wenn man dann noch Afghanistan und die Klimakrise dazu nimmt, hat man so etwas wie einen Super-GAU. Wir brauchen mehr Unterstützung.

Wie kann sich Pakistan in Zukunft besser international durchsetzen?
Zuerst einmal müssen wir vor unserer eigenen Tür kehren und das Land politisch stabilisieren. Wir müssen uns in der Region vernetzen, statt Konflikte zu bekämpfen. Mit Indien wollen wir Frieden, aber die aktuellen Entwicklungen dort lassen das nicht zu. Außerdem müssen wir die Wirtschaft in Pakistan stärken. Denn wenn wir es nicht schaffen, uns um unsere Schwächsten im Land zu kümmern, wird das den Nährboden für Kriminalität und Gewalt liefern. Je mehr verlässliche Partner wie Deutschland uns dabei unterstützen, desto besser.

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