zum Hauptinhalt
Russlands Außenminister Lawrow in der Duma.

© action press/Исакова Анна

Start der Münchner Sicherheitskonferenz: Vorbei die Zeit der mit Lügen gespickten Strafpredigten

Ein Jahr Krieg wird auch die Konferenz in München prägen. Russland ist international zum Paria geworden.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wenn die Existenz auf dem Spiel steht, womöglich gar das Überleben, wird alles andere zweitrangig. Der Prioritätenwechsel zeigt sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Die Hauptthemen der vergangenen Jahre – Pandemie, Klimawandel, Cyberbedrohungen, künstliche Intelligenz – werden nicht unwichtig. Aber der Krieg rückt sie in die zweite Reihe.

Im jährlichen Report, wo die wichtigsten Staaten der Erde Gefahren verorten, wird Russland nun fast überall als die größte Bedrohung genannt. Nicht nur in Europa, auch in Japan, Kanada, den USA.

Und in den Ländern, die andere Gefahren als noch größer einschätzen – Südafrika eine Unterbrechung der Energieversorgung, Brasilien Extremwetter und Klimawandel –, betrifft der größte Meinungsumschwung gegenüber dem Vorjahr ebenfalls die Bewertung Russlands. Wladimir Putins Regime gilt als die Bedrohung mit dem höchsten Zuwachs.

Russland ist erstmals seit Jahren nicht eingeladen

So markiert die MSC einen nahezu globalen Konsens. Die Zeitenwende ist eine Stimmungswende gegen Russland. In den Vorjahren hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow einen offenen Dialog in München verweigert. Er nutzte die große Bühne, um mit Lügen gespickte Strafpredigten zu halten, die allein für das heimische Fernsehpublikum gedacht war. 2023 ist das Regime Putin in München gar nicht mehr vertreten.

Die MSC 2022 hatte am Wochenende vor dem russischen Angriff auf die Ukraine getagt. Im Rückblick ist es erstaunlich, wie viele westeuropäische Regierungen die Gefahr über Jahre ignoriert hatten, darunter Deutschland – selbst dann noch, als bereits seit Monaten rund 100.000 russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert waren.

Die MSC 2023 spiegelt die neue Realität in Themenwahl und Gästeliste wider. Der Fokus liegt auf dem Krieg in Europa. Deutschland, die EU-Partner und die Nato-Verbündeten haben die Zeitenwende im Eiltempo vollzogen.

Das ist die Mut machende Kehrseite des langen Nicht-Sehen-Wollens. Durch abwägende und abgestimmte Politik gelang es, die größten Sorgen der Bürger zu reduzieren: die Angst vor der Ausweitung des Kriegs, die Zweifel an der eigenen Durchhaltefähigkeit. Gas und Strom mussten nicht rationiert werden. Auch die befürchtete Rezession blieb aus.

Was in Deutschland oft noch fehlt, ist die Einsicht, wie sehr das Vertrauen insbesondere der östlichen Verbündeten in Deutschland und seine strategische Klugheit gelitten hat. Deutschland ist dreifach gescheitert: mit seiner Energie-, seiner Russland- und seiner Ukrainepolitik.

Es wird dauern, bis diese Partner wieder bereit sind, auf deutschen Rat zu hören. Auch das wird in München zur Sprache kommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false