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Zwei Männer behaupten, auf russisches Gebiet vorgedrungen zu sein.

© Telegram White Rex

Update

Kreml-Gegner in Brjansk: Sorgte ein deutsch-russischer Neonazi bei Putin für Alarmstimmung?

Russische Medien und der Kreml berichten, dass eine Gruppe bewaffneter Männer von der Ukraine aus die russische Grenze überquert. Beteiligt war wohl ein bekannter Rechtsradikaler.

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Der Vorfall versetzte den Kreml in Alarmbereitschaft: Mehrere schwer bewaffnete Männer sollen über die ukrainische Grenze nach Russland vorgedrungen sein, hieß es in russischen Medien am Donnerstag. In zwei Dörfern, die nur wenige Meter von der Grenze entfernt liegen, sollen sie Geiseln genommen und auf Menschen geschossen haben.

Der Gouverneur der grenznahen Gegend Brjansk sprach von einer „ukrainischen Sabotagegruppe“.

Am Tag nach dem Vorfall sind Beweise für die Vorgänge aber dünn bis nicht existent. Auch von einer Geiselnahme war im Laufe des Donnerstags nichts mehr zu hören.

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Ein Video, das am Donnerstag im sozialen Netzwerk Telegram veröffentlicht wurde, zeigt zwei Männer vor einer Sanitätsstation in der Ortschaft Liubechane. Im Hintergrund sind Schüsse zu hören. Ein zweites Video wurde im etwa 15 Kilometer entfernten Sushany aufgenommen. Die Männer identifizieren sich als Teil des „Russischen Freiwilligenkorps“, auf dessen Telegram-Kanal die Videos auftauchten.

Wladimir Putin spricht von einem „Terrorakt“

Unter einem Beitrag bei Telegram von den angeblich Beteiligten heißt es: „Niemals hätte ich gedacht, dass die Grenze der russischen Föderation, auch im Krieg, so durchlässig ist.“

In dem Video auf Telegram sagt einer der Männer: „Wir sind in die Region Brjansk gekommen, um unseren Landsleuten zu zeigen, dass es Hoffnung gibt, dass das freie russische Volk mit Waffen in der Hand das Regime bekämpfen kann.“

Wladimir Putin reagierte umgehend auf die Meldungen. In einem Vortrag vor Lehrern sprach er von einem „Terrorakt“. Auch Kinder seien Opfer geworden. Der Vorfall zeige erneut, wie wichtig es sei, dass Russland die Menschen in der Ostukraine schütze. „Maßnahmen wurden ergriffen, um die Terroristen zu vernichten“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau.

Für Freitag kündigte Putin ein Treffen des nationalen Sicherheitsrates an.

Wie genau die Männer die Grenze überquerten, ist unklar; ebenso, was vor und nach der Aufnahme der Videos passierte. Am Donnerstagabend behaupteten die russischen Behörden, die Eindringlinge seien in die Ukraine zurückgedrängt worden.

Das exilrussische Investigativ-Portal „iStories“ konnte mit einem der angeblich Beteiligten sprechen. Er sagte den Journalisten: „Ich bin gerade von dort (Brjansk, Anm. d. Red.) zurückgekommen. Diesmal waren wir 45 Leute. Wir gingen hinein, machten unsere Videos und griffen zwei Schützenpanzer an. Ich habe keine verletzten Kinder gesehen, aber ein Grenzsoldat wurde verletzt. Niemand hat eine Geisel genommen.“

Ist der Kopf der Aktion ein Neonazi, der lange in Deutschland lebte?

Klarer sind aber inzwischen die Hinweise, wer hinter der Aktion steckt. Vor allem einer der Teilnehmer sorgte auch in Deutschland für Aufsehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei ihm um Denis Kapustin, in manchen Berichten wird sein Name auch als Denis Nikitin angegeben; letzterer ist wohl ein Tarnname.

Kapustin ist demnach in Moskau geboren, wuchs aber in Köln auf. „Denis Nikitin, russischer Staatsbürger mit deutschem Aufenthaltstitel, 1,88 Meter groß, 106 Kilogramm schwer, eine Kampfmaschine“, beschreibt ihn der „Spiegel“ in einem Artikel 2019.

Kapustin beziehungsweise Nikitin war einer der führenden Köpfe und Organisatoren der neonazistischen Hooligan- und Kampfsportszene in Deutschland. Unter dem Namen „White Rex“ – auch der Name des Telegram-Kanals, auf dem die Aktion in Brjansk öffentlich gemacht wurde – gründete er 2008 ein rechtes Modelabel.

Immer wieder soll er sich auch in der Ukraine aufgehalten und dort im August 2022 das sogenannte Russische Freiwilligenkorps (RDK) gegründet haben, das aber nicht offiziell in das ukrainische Militär eingebunden ist.

Gegen Putin, für ein ethnisch reines Russland

Die Behörden sowohl Russlands als auch der USA und der Ukraine sollen ihn wegen verschiedener Straftaten suchen. In der EU soll es ein Einreiseverbot gegen ihn geben. Kapustin spricht fließend Deutsch, Englisch und Russisch.

Laut „Spiegel“ hielten es deutsche Sicherheitsexperten auch für möglich, dass Kapustin für den russischen Geheimdienst arbeitet. Ob er in diesem Fall bei seinen zahlreichen Aufenthalten in der Ukraine unenttarnt geblieben wäre, ist zumindest zweifelhaft.

Laut einem Telegram-Kanal, der von Rechtsradikalen genutzt wird, zeigt das Bild Denis Kapustin in einem Schützengraben in der Ukraine.

© Telegram/Uncredited

In mindestens einem Fall wurde er in der Ukraine auch verhaftet. Der Grund: Verdacht auf Drogenhandel. Kapustin soll zudem enge Kontakte in die ukrainische Neonazi-Szene gehabt haben, die wiederum auch Vertreter im ukrainischen Asowstal-Regiment hatte.

Nicht ins Bild passt, dass Kapustin viele Male nach Moskau reiste und auch dort Teil der Hooliganszene bei ZSKA Moskau war. Weitere deutsche Hooligans aus Köln begleiteten ihn bei seinen Russlandreisen. Er war unter anderem Teil der russischen Hooligangruppen, die 2016 für schwere Ausschreitungen bei der Fußball-EM in Frankreich sorgten und eigentlich Putin nahestehen.

Über den Krieg, der nach 2014 im ukrainischen Donbass losbrach, sagte er: „Ich liebe die russische Welt, aber man muss diese Welt erst im eigenen Land aufbauen. Speziell störte er sich daran, dass auch Tschetschenen und Tadschiken in Russland lebten. Es sei eine Schande, dass so viele „gute Jungs“ aus Russland in der Ukraine in den Konflikt hineingezogen würden.

Denis Kapustin (links) in Liubechane in der Region Brjansk. Der Mann rechts hält eine Flagge mit dem Zeichen des RDK.

© Screenshot Telegram

Auf Telegram hatte das Korps bisher rund 16.000 Follower. Mit der Aktion am Donnerstag verdoppelte sich die Anzahl, wie der Russlandexperte von der Investigativplattform Bellingcat, Michael Colborne, erklärt.

Kapustin strebt laut Einträgen bei Telegram eine Rückkehr zu einem christlich-orthodoxen, zaristisch geprägten Russland an. Kapustins Getreue werfen Putin eine ethnische Durchmischung Russlands vor. Aus seinem rechtsradikalen Gedankengut machte Kapustin auch in seiner Zeit in Deutschland nie einen Hehl.

Die Regierung in Kiew äußerte sich nur kurz zu dem Vorfall und ließ mitteilen, dass es sich bei den Kämpfern um in Russland tätige Partisanen und „antifaschistische Milizen“ handele. Mit Blick auf Kapustins Biografie ist zumindest letztere Aussage zweifelhaft.

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