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Ukrainische Soldaten in der Nähe von Bachmut.

© AFP/Aris Messinis

Ukraine-Invasion Tag 365: Ukrainischer Truppen-Sprecher rechtfertigt die blutige Verteidigung von Bachmut

Polen liefert Kampfjets an die Ukraine, UN-Menschenrechtsrat enthüllt Kriegsverbrechen von Russland. Der Überblick am Abend.

Serhiy Cherevatyi, Sprecher der ukrainischen Truppen in der Ostukraine, hat die Verteidigung von Bachmut in eindringlichen Worten gerechtfertigt. Bei einem Auftritt im ukrainischen Fernsehen sagte er: Unsere Soldaten „entziehen den russischen Streitkräften ihre Kampfkraft und Stärke, lassen sie ausbluten, erschöpfen sie, brechen ihre Moral und ermöglichen so ihren Waffenbrüdern, die derzeit im Ausland ausgebildet werden, neue ‘eiserne Brigaden’ zu bilden, die später den Eindringling aus unserem Gebiet vertreiben werden.“ 

Er sprach von „kolossalen Verlusten“, die die russischen Truppen erleiden würden. Cherevatyi gab sich zuversichtlich, dass die Ukraine Bachmut vorerst halten kann. Er wiederholte damit die Begründung der Militärführung in Kiew, die argumentiert, dass Bachmut russische Kräfte bindet, die später der russischen Verteidigung an anderen Teilen der Front fehlen werden. Der Auftritt Cherevatyis kann sowohl als Zeichen nach innen wie nach außen interpretiert werden.

In den vergangenen Wochen wurden auch unter ukrainischen Experten und Soldaten Stimmen lauter, die das Festhalten an Bachmut kritisierten. Die Zahl der verwundeten und getöteten Soldaten soll auch auf ukrainischer Seite enorm sein. Auch die Versorgung der Truppen wird komplizierter, weil der einzige Zufahrtsweg in die Stadt seit Tagen in Schussweite russischer Truppen liegt. 

Experten im Westen und US-Offizielle kritisierten zuletzt auch den Munitionsverbrauch für den Verteidigungskampf in Bachmut. Die Geschosse würden in einigen Wochen für eine Offensive fehlen, hieß es. Gleichzeitig leeren sich die westlichen Lagerbestände an Munition sehr viel schneller als neue Geschosse produziert werden können. 

Dennoch ist die Moral der Soldaten in Bachmut generell gut, wie der US-Experte Michael Kofman Anfang der Woche berichtete. Er war kürzlich in der umkämpften Stadt. Der US-Thinktank „Institue for the Study of War“ glaubt gar, dass die russische Offensive in Bachmut bald ihren Höhepunkt erreicht. Laut einem OSZE-Bericht sind im Kampf um die Stadt bisher 20.000 bis 30.000 russische Soldaten gefallen oder verwundet worden. Rund 25 Kilometer sind Putins Truppen in dieser Zeit vorgestoßen. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Lange bewerteten die USA die Lieferung polnischer MiG-29 an die Ukraine als zu gefährlich. Nun will Polen erste Kampfjets des Typs an das Nachbarland übergeben. Mehr hier
  • Folter, Mord, Vergewaltigung: Ein Bericht des UN-Menschenrechtsrats enthüllt eine lange Liste an Gräueltaten russischer Truppen. Die Kommission dringt auf Konsequenzen. Mehr hier.
  • Kämpfe um Bachmut und Wuhledar: Westliche Analysten beobachten eine abnehmende Durchschlagskraft der russischen Truppen. Insbesondere die Eroberung Bachmuts halten sie ohne Zutun der Wagner-Gruppe für unrealistisch. Mehr hier.
  • In Russlands äußerstem Osten hat ein Soldat in der Ukraine begangene Kriegsverbrechen gestanden - und ist daraufhin wegen Verbreitung von „Falschinformationen“ zu fünfeinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das teilte die Bürgerrechtsorganisation OVD-Info am Donnerstag unter Berufung auf einen entsprechenden Eintrag im Register des Militärgerichts in der Region Chabarowsk mit. Mehr in unserem Liveblog.
  • China dringt auf Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. „China hofft, dass alle Parteien ruhig, vernünftig und zurückhaltend bleiben und Friedensgespräche so bald wie möglich wiederaufnehmen“, sagte Außenminister Qin Gang in einem Telefonat seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba, wie das chinesische Außenministerium mitteilt. China hat bereits einen Zwölf-Punkte-Plan vorgelegt, der zu einer Feuerpause führen soll. 
  • Die Länder fordern vom Bund deutlich mehr Geld zur Unterstützung der Kommunen bei der Hilfe für Asylsuchende und Geflüchtete aus der Ukraine. „Die Länder gehen davon aus, dass sie in diesem Jahr über 16 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Unterbringung von geflüchteten Menschen aufzubringen haben “, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstag nach Beratungen aller 16 Bundesländer in Berlin. 
  • Israel hat die Exportlizenzen für einen Verkauf von Drohnen-Störsysteme genehmigt. Das könnte der Ukraine helfen, von Russland eingesetzte iranische Drohnen abzuwehren, heißt es von drei israelischen und ukrainischen Beamten, wie die Nachrichtenseite „Axios“ berichtet.
  • Das ukrainische Militär hat einem Medienbericht zufolge im Osten des Landes eine chinesische Drohne abgeschossen. Soldaten der Territorialen Verteidigungskräfte der Ukraine zerstörten das zivile Fluggerät bereits am vergangenen Samstag, wie die US-Nachrichtenseite CNN berichtet. Am heutigen Donnerstag berichtete auch das ukrainische Verteidigungsministerium von dem Vorfall und veröffentlichte Fotos des Wracks auf Twitter.
  • In der russischen Großstadt Rostow am Don unweit der Grenze zur Ukraine ist am Donnerstag ein Gebäude der Grenzschutztruppen des Inlandsgeheimdienstes FSB in Brand geraten. In sozialen Netzwerken wurden Fotos von einer großen Rauchwolke am Himmel verbreitet. Das Zivilschutzministerium in Moskau bestätigte Berichte von Augenzeugen, nach denen in dem Gebäude ein Brand ausgebrochen sei. Die Hintergründe waren unklar. Der FSB ist in Russland auch für die Grenzsicherung zuständig. 
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat weitere Waffenlieferungen an die Ukraine im Schulterschluss mit den anderen EU-Staaten angekündigt. Gemeinsam mit den europäischen Partnern werde Deutschland dafür sorgen, dass die Ukraine Waffen und Ausrüstung erhalte, um durchzuhalten und sich zu verteidigen, sagte Scholz am Donnerstag im Bundestag bei einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel kommende Woche.

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