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Auf diesem vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten via AP zur Verfügung gestellten Foto arbeiten Feuerwehrleute daran, ein Feuer nach dem tödlichen russischen Raketenangriff zu löschen.

© dpa/Uncredited

Ukraine-Invasion Tag 621: Wie der Krieg das Dorf Hrosa spaltete

Russland attackiert Odessa und Cherson, Ukraine meldet russische Rückeroberungsversuche von Robotyne. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Anfang Oktober waren bei einem Raketenangriff im Dorf Hrosa in der ostukrainischen Region Charkiw 59 Menschen ums Leben gekommen. Es war eine Attacke auf ein Café und ein Lebensmittelgeschäft, wo zum damaligen Zeitpunkt eine Trauerfeier für einen Soldaten aus dem Dorf stattfand. Mehrere Generationen ganzer Familien starben, hieß es damals. Das UN-Menschenrechtsbüro sah Russland für den Angriff verantwortlich.

Die ukrainischen Ermittler hatten zwei Brüder, die früher in dem Dorf lebten, als diejenigen ausfindig gemacht, die der russischen Armee die Zielkoordinaten zusteckten. Aber wie kam es dazu? Das „Wall Street Journal“ hat dazu mit mehreren Anwohnern gesprochen (Quelle hier). Es ist eine Geschichte, wie sie wohl tausendfach seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vorgekommen sein dürfte. Eine, wie der Krieg ganze Gemeinschaften spaltet.

Es ist die Geschichte von Andriy Kozyr und seiner Familie, der vor dem Krieg immer wieder bei der Familie der nun verdächtigen Brüder vorbeischaute, auch mal Geschenke mitbrachte. So, wie es in dem Dorf üblich war. Meinungsverschiedenheiten darüber, ob sich die Ukraine Russland oder dem Westen annähern sollte, hätten Freundschaften nicht gestört, schreibt die Zeitung. Man sprach eine Mischung aus Russisch und Ukrainisch.

Doch der Krieg änderte alles, spaltete das Dorf, weckte Misstrauen unter den Bewohnern. Erst hatten die Russen es erobert, dann die Ukrainer zurückerobert. „Die Leute grüßten sich nicht einmal mehr“, sagt ein Bewohner. „Wir haben alle versucht, nicht zu viel zu sagen.“ Das Café wurde geschlossen, lediglich der Dorfladen blieb offen. Die eine Hälfte des Dorfes habe die Ukraine unterstützt, die andere Russland – oder sie taten es, weil sie glaubten, es sei zum Überleben notwendig.

Und die verdächtigen Brüder? Sie und ihre Familie hätten sich verhalten, als gehörte ihnen das Dorf, berichten Anwohner der Zeitung. Sie hätten russische Soldaten bei sich wohnen lassen und für die russisch geführte Polizeibehörde gearbeitet. Kurz bevor die Ukrainer das Dorf zurückeroberten, flohen sie schließlich nach Russland.

Die Trauerfeier Anfang Oktober war für Andriy Kozyr, der im Krieg ums Leben gekommen war. Sie sollte das Dorf wieder mehr zusammenbringen und versöhnen, sagt Inna Troshyna. Doch dann folgte der Angriff – offenbar mithilfe der beiden Brüder. „Sie wussten ganz genau, dass es dort viele Menschen geben würde, die sie persönlich kannten“, sagt ein weiterer Anwohner. „Jetzt sind die Straßen leer, die Häuser leer.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick

  • Die russische Armee hat die südukrainischen Regionen Cherson und Odessa in der Nacht mit Raketen- und Drohnenangriffen überzogen. Besonders die Hafenstadt Odessa geriet ins Visier. Bei Drohnenangriffen auf wurden nach Angaben des Militärgouverneurs Oleh Kiper mindestens acht Menschen verletzt. Mehr hier.
  • Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba nach dessen Angaben eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine zugesichert. „Ich habe keinen Zweifel, dass die Ukraine ein Teil der Europäischen Union sein wird“, sagte er der „Welt“. „Diese Zusicherung“ habe er von Baerbock erhalten. Mehr dazu hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lädt den früheren US-Präsidenten Donald Trump in die Ukraine ein. Dann könne sich Trump vom Ausmaß des Krieges überzeugen, sagte Selenskyj dem Sender NBC. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der Sohn des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow, Adam, ist nach offiziellen Angaben zum Chef des Sicherheitsdienstes seines Vaters ernannt worden. Der 15-Jährige war unlängst in die Schlagzeilen geraten, weil er einen wehrlosen Mann in einem Gefängnis verprügelt und zu Boden getreten hatte. Mehr hier.
  • Der russische Präsident Wladimir Putin tritt Insidern zufolge auch bei der Präsidentenwahl im März kommenden Jahres an. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von sechs Personen, die mit dem Vorgang vertraut sind. „Die Entscheidung ist gefallen, er tritt an“, sagte einer der Insider. Mehr im Newsblog.
  • Russland wird nach Ansicht des ukrainischen Militärnachrichtendienstes HUR einen Großangriff auf die Energieversorgung der Ukraine starten, sobald die Temperaturen unter den Nullpunkt sinken. Das sagte Vadym Skibitskyi, ein Vertreter des Geheimdienstes, laut „Kyiv Independent“ in einem Radiointerview.
  • Wenige Tage nach dem russischen Raketenschlag auf eine Zeremonie im ukrainischen Frontgebiet hat das ukrainische Militär die Zahl der getöteten Soldaten mit 19 angegeben. Derzeit finde eine Prüfung aller Umstände der Tragödie statt, schrieb die 128. Gebirgsjägerbrigade am Montag auf Telegram. 
  • Russische Streitkräfte haben ukrainischen Angaben zufolge versucht, das Dorf Robotyne im Süden der Ukraine zurückzuerobern. „Der Feind hat versucht, seine Stellungen bei Robotyne wieder einzunehmen, jedoch ohne Erfolg“, sagte Armeesprecher Andrij Kowaljow am Montag im ukrainischen Fernsehen. 
  • Russland baut nach eigenen Darstellungen eine neue Bahnverbindung zu der besetzten ukrainischen Halbinsel Krim. Das berichtet „The Kyiv Independent“ unter Berufung auf die russische Staatsagentur RIA. Die Strecke soll demnach von Rostov am Don ausgehend durch die besetzten Gebiete der Ukraine führen. 

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