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Um jeden Preis will Emmanuel Macron will die Arbeitslosenzahlen senken.

© dpa/Daniel Cole

Vorbild Hartz-Reformen?: Macron plant strengere Auflagen für Sozialhilfe-Empfänger

Nachdem der französische Präsident die umstrittene Rentenreform durchgebracht hat, nimmt er die Vollbeschäftigung ins Auge – und sägt dafür an der Grundsicherung.

Der Tumult um die umstrittene Rentenreform ist noch nicht abgeebbt, da prescht der französische Präsident schon mit dem nächsten Reformprojekt hervor. Emmanuel Macron wagt sich an sein zweites großes Wiederwahlversprechen: bis 2027 soll im Land Vollbeschäftigung erreicht werden.

Seit seinem Amtsantritt hat er es geschafft, die Arbeitslosenquote von zehn Prozent auf momentan 7,3 Prozent zu drücken, nun soll sie in den nächsten Jahren unter fünf Prozent fallen. Dazu setzt Macron auf verschiedene Maßnahmen, die in einem Arbeitsgesetz gebündelt werden, dessen Entwurf wohl Ende Mai ins Kabinett eingebracht und noch vor der Sommerpause im Parlament diskutiert werden soll.

Ein zentraler wie umstrittener Punkt ist dabei die Neugestaltung der Arbeitsvermittlung. Aus der bisherigen Agentur „Pôle emploi“ soll ab 2024 die zentrale Anlaufstelle „France Travail“ werden, damit Arbeitssuchende schneller und effizienter beraten und vermittelt werden. 

Mindestens 15 Wochenstunden auf Arbeitssuche

Besonders brisant: Auch die Grundsicherung RSA, die vor allem Langzeitarbeitslose und Alleinerziehende in Anspruch nehmen, soll im Zuge der Umstrukturierung zukünftig an strengere Konditionen geknüpft werden.

Ein von der Regierung in Auftrag gegebener Bericht schlägt vor, dass sich alle RSA-Empfänger:innen bei der Arbeitsvermittlung anmelden müssen und sich verpflichten 15 bis 20 Stunden pro Woche in Ausbildung oder Arbeitssuche zu investieren, um das Solidaritätseinkommen zu behalten. Ansonsten drohten Sanktionen.

Schon im Wahlkampf hielt Macron fest, es müsse bei der Sozialleistung Pflichten und Rechte geben. Das alles klingt in deutschen Ohren allzu bekannt. Orientiert sich der französische Präsident etwa am am Prinzip „Fördern und Fordern“ der Hartz-Reformen? 

Dominik Grillmayer vom Deutsch-Französischen Institut hat daran Zweifel: „Ich glaube nicht, dass es vergleichbar ist, weil die Hartz-Reformen doch sehr viel weiter gingen und der Arbeitsmarkt sehr viel flexibler gestaltet wurde mit einer extremen Ausweitung von Zeitarbeit.” In Frankreich, so Grillmayer, liege der Fokus momentan vor allem darauf, die staatliche Arbeitsvermittlung neu zu strukturieren.

Trotzdem: „Von der Philosophie her, geht das in dieselbe Richtung und das hat sich in den letzten Jahren abgezeichnet.” Seit seinem Amtsantritt 2017 hat Macron das Land wirtschaftlich vorangebracht, doch oft auf Kosten des Sozialstaates: Der Kündigungsschutz wurde gelockert und erst im Februar die Bezugsdauer der Erwerbslosenversicherung um bis zu 25 Prozent reduziert.

Doch dass Macron jetzt den sozialen Kahlschlag wagt, daran glaubt auch der französische Wirtschaftsberater Denis Maillard nicht so recht: „Die Hartz-Reformen gelten in Frankreich als neoliberale Schockdoktrin, ich glaube nicht, dass Macron sich diese zum Vorbild nimmt. Wieso auch? Das Wirtschaftssystem funktioniert und braucht keine drastischen Eingriffe.“

Tatsächlich ist es dem Präsidenten gelungen die hohe Erwerbslosigkeit zu reduzieren, durch kluge Investitionen die Jugendarbeitslosigkeit zu senken und die Wirtschaft von vielen bürokratischen Lasten zu befreien. 

Die Hartz-Reformen gelten in Frankreich als neoliberale Schockdoktrin, ich glaube nicht, dass Macron sich diese zum Vorbild nimmt.

Denis Maillard, Wirtschaftsberater und Buchautor

Für Maillard sind die Vorstöße vielmehr eine politische Botschaft. „Es gibt in verschiedenen Gesellschaftsmillieus das Gefühl, dass sich ein Schmarotzertum ausbreitet.” Macron wolle dem entgegenwirken und sicherstellen, dass alle sich beteiligen.

Ende März warnte der Präsident in einem Interview: „Viele Arbeiter:innen beklagen, dass wir von ihnen mehr Leistung fordern, während andere gar nicht arbeiten.” Dass die Reform nun quasi am Ende der Protestflut gegen Macrons Rentenprojekt kommt, dürfte kein Zufall sein.

Vollbeschäftigung als oberstes Ziel

Der Präsident will die Themen Arbeit und Vollbeschäftigung zu den großen Baustellen seiner zweiten Amtszeit machen. Auch deshalb kündigte er kürzlich in einer TV-Ansprache einen „Pakt für das Arbeitsleben” an, der in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern entstehen und die Arbeitsbedingungen verbessern soll.

In etwas weniger als 100 Tagen will Macron einen ersten Entwurf vorstellen. Die Gewerkschaften sind seiner Einladung in den Elysée-Palast zur Diskussion deses Paktes bisher nicht gefolgt. Zu schwerwiegend ist das Zerwürfnis, das das Rentendrama hervorgebracht hat.

Die Sozialpartner wollen sich von Macrons Reformeifer nicht unter Druck setzen lassen. Die präsidiale Hauruck-Politik erweckt den Eindruck, dass Macron die Bedürfnisse der Arbeitnehmer:innen dem Ziel der Vollbeschäftigung unterordnet und der gesellschaftliche „Pakt” am Ende mehr Besänftigungstaktik ist als Zugeständnis an die Forderungen der Franzosen.

„Man kann sich die Frage stellen, ob diese Initiativen nun zum richtigen Zeitpunkt kommen und von der Bevölkerung als Verbesserung ihrer Lebenssituation wahrgenommen werden”, sagt Dominik Grillmayer.

Vieles deute eher darauf hin, dass Macron sich von der Maxime „Sozial ist, was Arbeit schafft” leiten lässt. Mehr Arbeit und vor allem bessere Arbeitsbedingungen schaffen - Macron muss erst noch beweisen, dass er diesen Spagat meistern kann.

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