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Russische Soldaten sitzen auf einem Fahrzeug auf der ukrainischen Halbinsel Krim. (Archivbild)

© imago images/SNA/Konstantin Mihalchevskiy

„Zum Schlachten geschickt“: Mobilisierte Russen beschweren sich vermehrt über Zustände an der Front

In Videos von der Front erfahren die daheimgebliebenen Russen, was sich in der Ukraine wirklich abspielt. Das könnte für den Kreml noch zum Problem werden.

Das Setting ist immer das gleiche: Fünf bis zehn, meist vermummte, russische Soldaten stehen vor der Kamera. Sie nennen ihre Militäreinheit und Herkunftsregion und beklagen sich über die Zustände an der Front in der Ukraine.

In ihren Videos widersprechen die mobilisierten russischen Soldaten ihren Befehlshabern und beschweren sich darüber, als „Kanonenfutter“ an die Front geschickt zu werden. Laut der unabhängigen russischen Nachrichtenseite „Verstka Media“ tauchen seit Anfang Februar deutlich mehr dieser Videos auf als zuvor.

Mobilisierte Soldaten aus mindestens 16 Regionen hätten in den vergangenen Wochen Aufnahmen im Internet geteilt, schreibt „Verstka Media“. So beschwerten sich am 7. März Männer aus Irkutsk, Nowosibirsk und Krasnojarsk darüber, sie seien „zum Schlachten an die Front geschickt“ worden.

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Ebenfalls am 7. März beklagten Mobilisierte aus Kaliningrad, Murmansk und Archangelsk, sie würden mit Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg kämpfen, andernfalls würden ihnen die Kommandeure Strafmaßnahmen androhen. „Wir sind Menschen, kein Fleisch“, sagten sie.

Weitere Soldaten beschwerten sich etwa über „sinnlose Angriffe“, „illegale Befehle“ und fehlende Ausrüstung. Unabhängig lassen sich die Aufnahmen nicht auf Echtheit überprüfen. Laut „Verstka“ gab es bereits zwischen Ende September und Anfang Oktober vergangenen Jahres eine ähnliche Häufung an Videos – unmittelbar nach Beginn der Teilmobilmachung in Russland.

Zwischen November 2022 und Ende Januar dieses Jahres war die Anzahl der Videos deutlich zurückgegangen. Der Twitter-Account „ChrisO_wiki“ – laut eigener Aussage unabhängiger Militärgeschichtsautor und -forscher – führt das zurück auf den Einsatz von Wagner-Söldnern und Berufssoldaten in der Ukraine.

Bemerkenswert ist jedoch, dass das Vertrauen der Männer in den Kreml und Wladimir Putin trotz aller Frustration ungebrochen zu sein scheint. Sie wirken überzeugt davon, dass der Kremlchef ihnen in ihrer Situation helfen werde und appellieren meist direkt an Putin.

Es sei allerdings schwierig, aus diesen Aufnahmen „eindeutige Schlüsse über die Stimmung in den Truppen zu ziehen“, schreibt die französische Russlandexpertin Anna Colin Lebedev auf Twitter.

Die Videos würden jedoch ein großes Risiko aufzeigen, dem sich der russische Staat durch die Teilmobilisierung im vergangenen September ausgesetzt hat: „Die Mobilisierten sind Zivilisten, die an ihrem früheren Leben hängen (…). Einige von ihnen finden die Mittel, sich zu äußern“, schreibt Lebedev.

Nach ihrer Rückkehr – und auch schon jetzt – würden die Soldaten in der Heimat ein anderes Bild von der Front vermitteln, als es der russische Staat und dessen Staatsmedien zeichnen.

Ein weiteres Problem des russischen Staates ist es, dass dieser „nicht gut darin ist, zu kontrollieren, was im Internet zirkuliert“, schreibt Lebedev. Für den Staat sei es viel leichter physische Demonstrationen und die politische Opposition zu kontrollieren als Proteste im Netz.

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