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Kultur: 1. Mai: "Wir wollen zu normalen Verhältnissen kommen" - Hagen Saberschinsky im Gespräch

Hagen Saberschinsky (61) ist seit 1992 Polizeipräsident in Berlin. Für die auch in diesem Jahr zu erwartenden Auseinandersetzungen am 1.

Hagen Saberschinsky (61) ist seit 1992 Polizeipräsident in Berlin. Für die auch in diesem Jahr zu erwartenden Auseinandersetzungen am 1. Mai hat er eine "außerordentlich niedrige Einschreitschwelle" gegenüber Randalierern angekündigt.

In autonomen Kreisen freut man sich sichtlich über das Verbot der "Revolutionären 1.-Mai-Demonstration". Ärgert Sie das?

Die Autonomen begrüßen das Verbot? Wieso denn?

Weil es die zersplitterte Szene eint.

Theoretisch besteht eine solche Gefahr, dass man vor dem Hintergrund der aktuellen Situation die alten ideologischen Gräben zwischen verschiedenen Gruppen überwindet.

Wäre nicht auch aus polizeilicher Sicht eine genehmigte Demonstration am Abend des 1. Mai leichter zu kontrollieren, als es jetzt möglicherweise zersplitterte Aktionen sind?

Zum Thema Online Spezial: Sind die Krawalle zum 1. Mai unvermeidbar? Wenn Sie sich das Geschehen am 1. Mai der vergangenen 14 Jahre anschauen, sehen Sie, dass die Krawalle aus der Demonstration heraus begannen - auch wenn sie oft aus rechtlichen Gründen schon für beendet erklärt wurde. Trotz der erheblichen Bemühungen der Polizei entstanden immer gewaltige Schäden an Personen und Sachen. Deswegen müssen wir einen neuen Weg ausprobieren. Aus diesem Grund und weil erneut Gewalt angekündigt wurde, sind die AAB-Aufzüge von uns verboten worden.

Dennoch wird das jetzt ausgesprochene Demonstrationsverbot auch von vielen Ihrer Polizeibeamten und der Gewerkschaft sehr skeptisch gesehen. Manche sehen sich gar "verheizt", um eine harte Linie durchzusetzen. Was sagen Sie diesen Beamten?

Ich kann zwar nicht ausschließen, dass einzelne Polizeibeamte eine solche Meinung haben. Aber meine Beobachtung ist, dass die Berliner Polizeibeamten den eingeschlagenen Weg nahezu einhellig mittragen. Unter den Opfern der vergangenen Jahre waren ja neben unbeteiligten Bürgern auch sehr viele Polizeibeamte.

Und das soll in diesem Jahr durch eine härtere Gangart vermieden werden?

Wir haben über viele Jahre hinweg mit gewaltigen Anstrengungen versucht, den 1. Mai als einen ganz normalen Tag der Arbeit über die Bühne gehen zu lassen. Das ist nicht im gewünschten Umfang gelungen. Deswegen wollen wir jetzt nach einem langen Abwägungsprozess endlich den Anstoß hin zur Normalität geben. Natürlich sind damit Risiken und Gefahren verbunden.

Welche Aktionen erwarten Sie jetzt seitens der Autonomen am 1. Mai?

Nach derzeitigem Stand der Dinge erwarten wir dezentrale Aktionen an verschiedenen Orten der Stadt. Und wenn die NPD-Veranstaltung nun doch stattfinden sollte, muss man sich auch darauf einstellen, dass sich ein hohes Protestpotenzial auch gegen diese Veranstaltung formieren wird. Das werden nicht nur Autonome und Linksextremisten sein, sondern auch eine Vielzahl von Menschen, die schlichtweg gegen Rechts sind. Es wird sehr problematisch sein, die gruppendynamischen Prozesse zu beherrschen, die bei solchen Veranstaltungen auftreten.

Es sind also auch in diesem Jahr am 1. Mai militante Proteste wieder unausweichlich?

Das ist zu befürchten. Unser polizeiliches Konzept ist aber so ausgerichtet, dass wir möglichst schnell reagieren können. Wir werden nicht immer jeglichen Schaden unterbinden können. Aber wir wollen zu normalen Verhältnissen kommen. Und ich bin heftigst gewillt, diesen Prozess endlich anzustoßen. Dass das mit Risiken versehen ist, liegt in der Natur der Sache.

Angenommen, Ihr Konzept hat Erfolg. Ist dann Ihre Forderung nach einer Änderung des Versammlungsgesetzes vom Tisch?

Ich meine, dass das Versammlungsrecht, so wie es jetzt besteht, nicht mehr zeitgemäß ist. Dieses Versammlungsrecht geht von einer Demonstrationskultur aus, die in weiten Teilen nicht mehr besteht. Wir beobachten stattdessen oft eine Demonstrations-Unkultur. Das Versammlungsrecht wird missbraucht, zum Teil von fest entschlossenen Gewalttätern. Um darauf reagieren zu können, brauchen wir ein modifiziertes Versammlungsgesetz - unabhängig davon, was kommende Woche in Berlin passiert.

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