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Kultur: 1 Minute, 5 Sekunden

Zwei Fotokünstler thematisieren das Alltägliche

Die beiden Fotografien hat Lara Dhont auf große Pappquadrate gedruckt. Nebeneinander gestellt ergeben sie ein ganzes Bild: Ein altes Holzbrett lehnt vor einer Ziegelwand. Verblasste Graffitis sind zu sehen, ein Boden aus schmutzigen Betonplatten, Unkraut hat sich seinen Weg durch die Fugen gebahnt. „01M.05S.“ nennt die Fotografin ihre Arbeit. Laut dem Titel hat sie genau eine Minute und fünf Sekunden gebraucht, um das Holzbrett, das sie zuvor am Wegesrand gefunden hatte, in die rechte Position zu rücken.

„Shelters of Refuse“ heißt die Fotoserie der jungen belgischen Künstlerin, die erstmals in der Galerie Bourouina ausstellt. Dafür baut sie sogenannte Shelters aus Schrott und Müll. Skulpturen entstehen, die Dhondt anschließend fotografiert. Je nach Ausgangsmaterial des Shelters wird das Foto auf Pappe, Holz oder Metall gedruckt und meist frei in den Raum gestellt. An die Wand gelehnt oder auf Ziegelsteinen aufgebettet fungieren die Fotos dann wie das Motiv selbst – als Skulptur. Dhondts Arbeiten stehen im Dialog mit einer Fotoserie von Martin Mlecko.

„Evidenz“ thematisiert die menschliche Beziehung zu Gegenständen wie Büchern, Küchenutensilien oder Elektrogeräten. Eine kleine Alltagspoesie. 102 kleinformatige Fotos wurden dafür an die Wände der Galerieräume gebracht. Wie ein Mosaik, befestigt mit filigranen Nägeln. Kein Rahmen erschwert den visuellen Zugriff auf die Arbeiten, der Betrachter steht in direktem Kontakt mit den Bildern, die einen intimen Einblick in das Leben des Fotografen geben. Ein schmutziger Aschenbecher, frische Kräuter in einem steinernen Mörser, alte Marmeladengläser: Mlecko fotografierte für diese Serie ausschließlich Gegenstände aus seiner eigenen Wohnung. Der deutsche Fotograf ist 1951 geboren. Ein alter Hase im Vergleich zu den Künstlern, die sonst von der Berliner Galerie vertreten werden. Es gebe jedoch Arbeiten, meint Amel Bourouina, die unabhängig von ihrem Entstehungsjahr so frisch wirkten, dass sie ihre Idee von „junger Kunst“ noch einmal überdacht habe. Im Dialog mit den aktuellen Arbeiten von Dhondt zeigten Mleckos Fotografien – die ab den Neunzigern kontinuierlich entstanden sind – jene reflexive Aktualität, für die Bourouina sich sonst zuständig fühlt.

Die Galeristin hat recht: In der Zusammenschau mit den Arbeiten der 1979 geborenen Belgierin verlieren Mleckos Fotografien ihren sachlich-dokumentarischen Charakter. Auch wenn es beinahe zwei Jahrzehnte sind, die uns der Fotograf vor Augen führt, muten seine Arbeiten wie eine poetisch-narrative Reise durch einen einzigen Lebenstag des Künstlers an. Ein Tag, der uns von den profanen Stillleben unserer eigenen vier Wände (Mlecko) auf die Straße führt, auf der alte Radkappen und Matratzen, Holzbretter und Sperrmüll als Skulpturen (Dhondt) unseren Weg kreuzen. Lena de Boer

Bourouina Gallery Berlin, Charlottenstr. 1-2; bis 3.9., Di - Sa 11 - 18 Uhr.

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