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Kultur: 10 000 mal Raus!

„Blackbox Abschiebung“ im Haus der Kulturen der Welt

Zu den großen Mythen der Deutschen gehört der Glaube, dass die ganze Welt in unser schönes Land kommen will. Er wird zwar durch Zahlen widerlegt (es wandern mehr Menschen aus als ein), doch der Mythos hält sich hartnäckig. Deshalb will CSU-Chef Horst Seehofer „bis zur letzten Patrone“ gegen „die Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“ kämpfen. Deshalb werden einige Tausend Nordafrikaner auf der italienischen Insel Lampedusa zur „Flüchtlingswelle“. Und deshalb hat der deutsche Staat ein kompliziertes System aus Gesetzen und Vorschriften zurechtgezimmert, das ein Ziel hat: Abwehr und Zermürbung von Einwanderern.

Integraler Teil dieser Politik ist die Abschiebehaft. Menschen, die teils jahrelang in Deutschland gelebt und nie eine Straftat begangen haben, werden monatelang eingesperrt. Bei der anschließenden Abschiebung werden weder Journalisten noch Anwälte geduldet (rund 10 000 Personen sind jedes Jahr betroffen). Nun hat sich der Filmemacher Ralf Jesse gefragt, was dieser „Verwaltungsakt“ bei Menschen anrichtet und hat neun Abgeschobene oder von Abschiebung Bedrohte interviewt.

Die Porträts sind in der „Blackbox Abschiebung“ im Haus der Kulturen der Welt zu sehen: ein schwarzverkleideter Kubus, wie ein Wohnzimmer eingerichtet, man versinkt in einer Couch und bekommt per Fernseher von vermeintlichen Ausländern die Wirkung deutscher Gesetze erklärt. Die neunjährige Nadire etwa wurde in Bielefeld geboren und mit ihrer Familie in den Kosovo abgeschoben – der „Heimat“, die der deutsche Staat mit seinem auf dem Blut basierenden Staatsangehörigkeitsrecht für die ihre hält. Sie erzählt, wie Polizisten ihre Wohnung stürmten und dann beim Flughafen anriefen: „Wir haben hier noch eine Familie.“

Der Nigerianer Taofik hingegen ist fassungslos darüber, dass er in Deutschland nicht arbeiten durfte. Nun sitzt er im Abschiebeknast und meint trotzig: „In Nigeria kann man über Nacht Millionär werden. In Deutschland darf man es nicht einmal versuchen.“ Das deutsche Asylverfahren ist für ihn ein Programm zur Zerstörung des menschlichen Willens. „Bilder und Geschichten von Leuten, die gern geblieben wären“, heißt das Ausstellungsprojekt im Untertitel. Zur Eröffnung sprach der Sozialwissenschaftler Mark Terkessidis: „Abschiebungen simulieren Kontrolle. Sie haben symbolische Bedeutung. Und sie produzieren eine neue Art der Bevölkerung rund um Europa, die keine Heimat mehr hat.“ Philipp Lichterbeck

Bis 8. Mai, 10 - 19 Uhr.

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