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„Diese Drombuschs“: Witta Pohl als Vera und Günter Strack als Onkel Ludwig.

© dpa/Jörg Schmitt

1983 war das letzte Jahr ohne Privat-TV: Vor 40 Jahren war das Fernsehen besser! Oder war es nur anders?

Serien wie „Diese Drombuschs“ liefen ohne Debatten zu MeToo, Gender, Diversität und Klima. Das geht heute nicht mehr, heute bedeutet fiktionales Fernsehen permanente Gewissensprüfung.

Diesem Text muss eine Ankündigung, vielleicht sogar Warnung vorangesetzt werden. Es werden nicht die alten Zeiten beschworen und es wird schon gar nicht der Überzeugung gehuldigt, dass früher alles besser war. War es nicht, es war anders - und jeder mag für sich entscheiden, ob es damit besser oder schlechter war.

Rückblende ins letzte Jahr ohne Privat-TV

Rückblende ins Jahr 1983, das letzte Jahr ohne Privatfernsehen in der Bundesrepublik, das am 1. Januar 1984, sprich vor 40 Jahren startete. Was RTL und Sat1 da künftig verbreiten sollten, traf auf eine Gemeinschaft aus einem Fernsehangebot und Publikum, das sich im öffentlich-rechtlichen TV-Kokon eingewickelt hatte.

Gut, nach dem „Dallas“-Erfolgsschock hatten US-Serien wie „Denver-Clan“, „Falcon Crest“, „Hart aber herzlich“ und „Ein Colt für alle Fälle“ ihren Platz bei ARD und ZDF gefunden, doch deutsche Serienware dominierte weiterhin die Programme und die Quotentabellen. Vielleicht erinnern Sie sich an folgende TV-Hits:

„Ich heirate eine Familie“: Familienserie nach Drehbüchern von Curth Flatow unter der Regie von Peter Weck. Werner Schumann (Weck) ist Junggeselle in Berlin, bis er die dreifache und geschiedene Mutter Angi (Thekla Carola Wied) trifft und sich Hals über Kopf verliebt. Die beiden heiraten und werden zu einer der ersten deutschen TV-Patchwork-Familien. Kult war das dabei das befreundete und betuchte Ehepaar Alfons und Bille (Herbert Bötticher und Maria Sebaldt). Als sie einmal im Restaurant sitzen und Alfons (mal wieder) einer jungen Frau hinterherschaut, weist ihn Sybille empört zurecht. „Ich freue mich auch, wenn ich mal was Schönes sehe“, murrt Alfons. „Dann guck mich an“, erwidert Bille, „mehr Schönheit steht dir nicht zu.“

„Monaco Franze - Der ewige Stenz“: Kultserie von Helmut Dietl. Der „Monaco Franze“ ist ein Hallodri - die Hauptfigur wird unnachahmlich gespielt von Helmut Fischer. Die erste Folge lief am 2. März ‘83 im Ersten. Während Ruth Maria Kubitschek als elegante Annette von Soettingen für Antiquitäten, Kunst und Oper schwärmt, locken ihren Gatten amouröse Abenteuer. „Zehn Folgen voller Leichtigkeit und einem ganz besonderen Lebensgefühl im München der 80er Jahre“, wie dpa-Autor Gregor Tholl schreibt.

„Diese Drombuschs“: Familienserie von Robert Stromberger, quotenmäßig eine der erfolgreichsten deutschen Serien überhaupt. Die erste Folge lief Weihnachten '83. Vera (Witta Pohl) und Siegfried Drombusch (Hans-Peter Korff) führen in Darmstadt ein Antiquitätengeschäft. Bis 1994 gibt es 39 Folgen über den Alltag und die Schicksalsschläge bei einer von den Zuschauern wohl als ziemlich normal wahrgenommenen Familie, in der Günter Strack Onkel Ludwig spielte.

„Monaco Franze“ mit Ruth Maria Kubitschek und Helmut Fischer.

© dpa/Istvan Bajzat

In diese privatistische Phalanx brachen nur wenige Unikate wie die Jahrhundertwende-Serie „Der Trotzkopf“ mit Anja Schüte und die Ruhrgebietssaga „Rote Erde“ ein.

Dann gab es noch die klassische ZDF-Weihnachtsserie, die 1979 mit „Timm Thaler“ und 1983 mit XY fortgeführt wurde. Florian Silbereisen hieß damals Karl Moik, der immer samstags seinen „Musikantenstadl“ fürs Schunkeln und Mitklatschen öffnete. Und weil Viva längst nicht in Sichtweite war, konnte die Musikvideosendung „Formel Eins“ erst in den Dritten Programmen und dann im Ersten reüssieren. Peter Illmann hieß der erste Moderator.

Bundesrepublik-TV

Das Fernsehen von ‘83 war ganz bei sich und ganz nahe bei seinem bundesrepublikanischen Durchschnitts-Publikum, wenn Familien- und Beziehungsstoffe die Hauptprogramme dominierten.

Es wäre nun ein Leichtes, dieses Fernsehen als „Puschen-Kino“ herabzuwürdigen. Es waren andere Zeitläufte, andere Lebensumstände, vielleicht auch andere Erwartungen ans Medium. Das Jahr 1983 als letztes Jahr mit rein öffentlich-rechtlichem Fernsehen war wie die Gesellschaft von 1983: Heutige Reibungspunkte wie MeToo, Gender, Migration, Diversität, Klima waren nicht oder noch nicht oder nicht sehr bekannt.

Natürlich waren nur die fiktionalen Produktionen erfolgreich, deren Protagonisten direkt ins Publikum hineinwirkten oder quasi spiegelbildlich die Sorgen und Nöte, Freuden und Jubelsprünge im privaten Bereich, im Familiensektor aktualisierten. Da konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer quasi Maß nehmen, wie es um die eigene Existenz, um eigene Glück bestellt ist.

Permanente Gewissensprüfung

Das konnte bis hin zur individuellen Gewissensprüfung führen, aber es fehlte das, was heute Grundtenor ist: die permanente Gewissensprüfung. Die Stichwörter dafür sind genannt, sichtbar ist die durchgängige Vergesellschaftung, respektive Politisierung des Privaten. Ist die dargestellte Anteilnahme hinnehmbar oder mit falschem Zungenschlag, taugt die Solidarisierung oder taugt sie nicht. Deutlich, wie schnell und wie sehr eine Handlung, ein Habitus, eine Haltung (noch so ein inkriminierter Begriff) ins Risiko gehen, durch die Mühlen von öffentlicher Aufregung und Abgrenzung gedreht werden kann.

„Erhalt der Serie ,Hotel Mondial’ für mehr queere Repräsentation und Vielfalt im Fernsehen

Petition bei change.org

Fiktionales Fernsehen wird heute anders gesehen und anders bewertet. Bei change.org ist beispielsweise eine Petition eingestellt, die den „Erhalt der Serie ,Hotel Mondial’ für mehr queere Repräsentation und Vielfalt im Fernsehen“ fordert. Das ZDF will diese Serie mangels Quote nicht fortsetzen. Wäre das Fernsehen dann besser, wenn „Hotel Mondial“ fortgesetzt würde? Oder eben nur anders? (mit dpa)

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