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3-D-Filme: Das Auge lernt mit

Die Filmemacher stehen auf 3-D – noch ist die Technik aber nicht ausgereift.

Ein Mann steht in einem Feld. Wir sehen ihn scharf, und doch wirkt er sehr weit weg, wie in die Ferne geworfen, irgendwo in den Raum hinter der Leinwand. Ein Bild mit Aussagekraft: Dieser Mann ist verloren in der Welt. Ein Bild aber auch, dass es so nie gegeben hat. Kameramann Steve Schklair hat nur ein bisschen geträumt: so hätte er das neue 3D gern für die „Bourne Identity“ eingesetzt. Nicht als Gimmick, sondern als Hilfsmittel für effektives Geschichtenerzählen.

Schklair träumte schon vor zehn Jahren. Damals hätte kaum jemand auf die Wiederauferstehung des 3-D-Kinos gewettet. Er aber ahnte, dass die noch junge digitale Filmtechnik eines Tages zu jener technischen Grundlage heranreifen könnte, die den kümmerlichen 3-D-Versuchen der 50er und 70er Jahre noch gefehlt hatte. Schklair gründete eine Firma und begann mit der Entwicklung. Heute ist er ein weltweit gefragter Experte und drehte mit U2 deren Konzertfilm „U2 3D“.

Steve Schklair war nach Potsdam gekommen, um sich an der Hochschule für Film und Fernsehen mit anderen Experten auszutauschen. Die HFF verfügt seit kurzem als erste Hochschule überhaupt über ein eigenes 3-D-Projektionssystem und hatte 3D zum Schwerpunkt ihres jährlichen Digital-Workshops „Insight Out“ gemacht. Denn die Zeichen mehren sich, dass sich das 3-D-Kino im dritten Anlauf erfolgreich etablieren könnte.

Mehrere Dutzend 3-D-Filme sind zurzeit in Vorbereitung, neue Projekte kommen hinzu, denn die Zuschauerzahlen sind vielversprechend. Steven Spielberg und Peter Jackson haben mit den Dreharbeiten zu ihrem „Tintin“-Projekt begonnen. Sogar das Filmfestival in Cannes wird in diesem Jahr in 3D eröffnet, mit Pixars neuem Animationsfilm „Up“. Und im Spätsommer kommt mit „Coraline“ ein bemerkenswerter Film in die deutschen Kinos. Das herrliche kleine Filmjuwel von Henry Selick („Nightmare before Christmas“) ist der erste Film, der die Möglichkeiten von 3D als künstlerisches Mittel zu nutzen versteht.

Das digitale 3D mit seinen Doppelkameras – eine für jedes Auge – unterwirft etliche Parameter dem Gestaltungswillen des Filmemachers. Der Konvergenzpunkt, an dem sich die Blicklinien der Kameraaugen treffen (Tiefenstaffelung), ihr Abstand zueinander (Gesamttiefe) und schließlich der Fokus des Bildes (Schärfe) können gegeneinander ins Spiel gebracht werden. So wäre beispielsweise das Bild des einsamen Bourne entstanden: Fokus direkt auf ihn, Konvergenzpunkt weit von ihm weg – ein im Grunde unnatürliches, aber ausdrucksstarkes Bild.

Doch man kann dabei auch vieles falsch machen. Beim Betrachten eines 3-D-Filmes werden die Augäpfel des Zuschauers von der Projektion quasi geführt, dabei werden selten benutzte Muskeln beansprucht. Das kann zu Unbehaglichkeit, Ermüdung oder sogar Kopfschmerzen führen, etwa wenn zwischen Szenen mit sehr unterschiedlicher Tiefenstaffelung schnell geschnitten wird. Regisseur Tim Burton wurde die ganze Sache offenbar unheimlich. Er entschloss sich kurzfristig, seinen 3-D-Film „Alice im Wunderland“ zunächst nur mit herkömmlichen Kameras aufzuzeichnen und die dritte Dimension erst nachträglich hinzufügen zu lassen.

Weil das alles so verflucht kompliziert ist, wird im Filmteam in Zukunft eine neue Stelle vakant: Es braucht jetzt eine Art zusätzlichen Kameramann, der sich ausschließlich über 3D und seine Konsequenzen den Kopf zerbricht. Robert Neumann, „Stereoscopic Supervisor“ bei der Produktion von Disneys 3-D-Film „Bolt“, zeigte in Potsdam, wie er einige 3-D-Probleme lösen konnte. Einige seiner Tricks waren schwindelerregend. Es gab viel Spezialwissen zu verdauen, in dieser Woche in Potsdam, und manches kam einem vor wie Zauberei. Aber aufregend war es schon, den Frühadepten des 3D über die Schulter zu schauen bei der Entwicklung ihrer neuen Bildsprache.

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