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Kultur: 50. Berliner Festwochen: Ungeheuer konzentrierte Musik - Der Geiger Christoph Poppen über György Kurtág

Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt möglich ist, diese ungeheuer konzentrierte Musik wirklich auf den Punkt zu spielen. Schon die ausgewählten Texte aus den Tagebüchern von Franz Kafka sind ungeheuer komprimiert.

Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt möglich ist, diese ungeheuer konzentrierte Musik wirklich auf den Punkt zu spielen. Schon die ausgewählten Texte aus den Tagebüchern von Franz Kafka sind ungeheuer komprimiert. Die Auseinandersetzung damit lohnt sich auch ohne diese wunderbare Musik. Man sollte diese Texte ohnehin besser schon vorher kennen. Es ist aber nicht so, dass man Spezialist sein müsste, um Vergnügen an der Musik zu haben. Die Inhalte sind so konzentriert umgesetzt wie sonst vielleicht nur bei Anton Webern, aber auch mit viel Humor und Ironie. In der "Szene in der Elektrischen" geht es zum Beispiel um Musikanten in der Straßenbahn und wie sich ihr Spiel mit dem Quietschen der Räder mischt. Während des Stücks muss der Spieler die Geige verstimmen, zusammen mit dem Text ist es ungeheuer witzig.

Der ganze Zyklus gehört zu den schwierigsten Stücken, die ich überhaupt kenne. Es ist viel schwerer zu spielen als die Paganini-Capricen beispielsweise. Eher wie Schubert, der ist auch schwieriger als Paganini. Aber die Virtuosität steht immer im Dienst des musikalischen Ausdrucks. Da bleiben bei der Aufführung immer Wünsche offen. Im letzten Stück geht es in einem ganz kurzen Text um eine Schlange. Die Musik dauert etwa sieben Minuten. Als wir das einmal dem Pianisten Lars Voigt vorspielten, meinte er, jetzt wisse er genau, wie sich eine Schlange fühlt. György Kurtág hat mir und meiner Frau, der Sopranistin Juliane Banse, die Noten geschenkt, er hat uns den Zyklus sozusagen auf den Leib geschrieben. Wir sind dann immer wieder angefragt worden, ob wir die Komposition nicht aufführen wollten. Wir haben lange gezögert, aber die Berliner Festwochen haben unablässig insistiert. Inzwischen haben wir es mehrfach ausprobiert. Wir entdecken immer neue Momente, es wird immer plastischer. Die Musik bietet die ganze Bandbreite vom Hässlichsten bis zur absoluten Schönheit, es ist fast eine Mini-Oper.

21. September[St. Matthäus-Kirche. K], 19 Uhr[St. Matthäus-Kirche. K]

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