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Kultur: 583!

Deutsche Opernpremieren der nächsten Saison

Es ist das Stück des Augenblicks: „Die Fledermaus“, 1874 uraufgeführt, ein Jahr nach dem großen „Gründerkrach“, als die von mangelhaft kontrollierten Banken ins Astronomische getriebenen Börsenkurse weltweit zusammenbrachen. „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“, singen die um ihre Spekulationsgewinne gebrachten Großbürger in Johann Strauß’ Meisterwerk. Krisenbewältigung auf operettisch.

Kein Wunder, dass „Die Fledermaus“ in der kommenden Saison zum Renner auf deutschen Bühnen wird. Mit 13 Inszenierungen hängt die melodienselige Sozialsatire alle Konkurrenten ab, selbst „Die Zauberflöte“, die sich für alle Zeiten Platz eins der Aufführungsstatistik gesichert zu haben schien. Nur an fünf Häusern wird Mozarts Singspiel Premiere haben. Und auch die übrigen all-time favorites „Carmen“, „Freischütz“ und „Traviata“ kommen nicht über eine Handvoll Neuproduktionen hinaus. Dafür stehen unerwartet Mauerblümchen des Repertoires wie Francis Poulencs „Dialoge der Karmeliterinnen“ im Mittelpunkt des Interesses: München machte in dieser Spielzeit den Anfang, 2010/11 folgen sieben weitere Stückdeutungen überall in der Republik (auch in Berlin). Ebenfalls sieben Mal wird Dvoraks „Rusalka“ von Regisseuren befragt.

André Kraft, Pressesprecher der Komischen Oper Berlin, hat in Sisyphusarbeit die Programme der bundesrepublikanischen Theater gesichtet – und 583 Musical-, Operetten und Opernpremieren gezählt. Mehr Musiktheater ist weltweit nirgendwo zu erleben. Hier wagt sich jeder an wirklich alles: Verdis „Othello“ kommt in Coburg und Heidelberg heraus, fünf Stücke von Leonard Bernstein werden in frischen Produktionen zu sehen sein – „Candide“ in Berlin, „Trouble in Tahiti“ in Trier und Gießen, „On the Town“ in Bremerhaven und „West Side Story“ in Hof.

Allein am letzten Septemberwochenende gehen 22 Premieren über die Bühne, Neuinszenierungen von Puccinis „La Bohème“ kommen am 19.9. in Wuppertal heraus, am 23. in Ulm, am 24. in Düsseldorf, am 25. in Kiel und am 26. in Erfurt. An Wagners „Ring des Nibelungen“ arbeiten sich 2010/11 Theater in Lübeck, Essen, Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main, Ulm, Oldenburg, Cottbus, Hannover, Gelsenkirchen, Darmstadt, Leipzig, Ludwigshafen und Halle ab.

Wird der „Gründerkrach“ von 2008 hierzulande mittelfristig ein Theatersterben nach sich ziehen? Mehrere Bühnen sind bereits akut in ihrer Existenz bedroht. Glücklich ist, wer nicht vergisst, warum Deutschland in der Welt so angesehen ist. Frederik Hanssen

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