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Kultur: Abstieg in die Nächte

KLASSIK

Auch Tod und Verfall verbergen sich in der französischen Musik hinter einem Schleier eleganten Wohlklangs. Wir Teutonen müssen einige Mühe aufbringen, ihn zu durchdringen. Frank Martins einstündiger Liederzyklus „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christof Rilke“ nach Texten von Rainer Maria Rilke verarbeitet 22 kurze Darstellungen aus dem Soldatenleben in klangschöner und doch sehr distanzierter Weise. Die solistische Einleitung bot der Altistin Monica Groop gleich beste Gelegenheit, ihre stimmliche Nuancierungskraft und Intonationssicherheit unter Beweis zu stellen, bevor das Rundfunk-Sinfonieorchester unter Leitung von Marek Janowski die kammermusikalischen Passagen klar und unprätentiös gestaltete. Es war ein für das Publikum in der Philharmonie forderndes Unterfangen; der Applaus brauchte einige Zeit zum Hochschaukeln, war dann aber lang und herzlich.

Auch Henri Duteilleux deutet in „The Shadow of Time“ tragische Hintergründe an, vom Tagebuch Anne Franks ist im Programmheft die Rede. Hören kann man davon beim besten Willen nichts – Duteilleux’ Klangsprache ist einfach zu gefällig. Das ist im Moment schwer in Mode: Wer sich als Außenseiter stilisiert und der modernen Musiksprache distanziert gegenübersteht, wird im Konzertbetrieb hofiert. Nichts gegen opulenten Orchesterklang, aber Instrumentationskünste kann man bei Debussy schon besser studieren.

Oder bei Ravel . Dessen zynischer Walzer-Abgesang „La Valse“ lässt rauschende Wiener Ballnächte durch ein alles verzerrendes Prisma vorüberziehen – ein Abgesang auf eine untergehende Epoche. Filmelemente wie Kamerafahrten und Bildverzerrungen haben den Komponisten zu einer Schwindel erregenden Höllenfahrt inspiriert. Viel Applaus für diesen reißenden Ausklang.

Ulrich Pollmann

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