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Kriegsverbrecherprozess: Adolf Eichmann und der BND

Die seit 2010 freigegebenen BND-Akten über Adolf Eichmann enthüllen die Verstrickung des Geheimdienstes in einem der wichtigsten Kriegsverbrecher-Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg.

Über die hartnäckige Geheimhaltung der Eichmann-Akten durch den BND sprach am 3. Mai der Rechtsanwalt Reiner Geulen in der Topographie des Terrors. Der weltweit in Menschrechtsfragen tätige Jurist vertritt die in Argentinien lebende Journalistin Gabriele Weber, für die er einen großen Erfolg erzielt hat. 2010 erklärte das Bundesverwaltungsgericht den Sperrvermerk des Bundeskanzleramts, dem der BND untersteht, für rechtswidrig. Ein Großteil der 3400 Seiten umfassenden Eichmann-Akten ist freigegeben.

Der Vortrag, Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung über den Eichmann-Prozess, warf ein grelles Licht auf die bizarre Vorgeschichte des Jerusalemer Gerichtsverfahrens. Die Bonner Regierung betrachtete den Logistikspezialisten unter den Exekutoren der NS-Judenvernichtung vor allem als Risikofaktor. Die Akten zeigen, dass die Regierung kein Interesse an Eichmanns Ergreifung hatte, ja: Sie behinderte die Suche aktiv. Der Mossad war gut beraten, als er den BND nicht über Eichmanns Aufenthaltsort informierte. Die Israelis befürchteten, die Deutschen würden Eichmann warnen und zur Flucht verleiten, bevor der Mossad ihn entführen konnte.

Am 23. Mai 1960 traf Eichmann in Jerusalem ein. Die Bundesregierung war besorgt, wie Verteidigungsminister Franz Josef Strauß notierte. Der BND wertete die Interviews aus, die der redselige Eichmann in Buenos Aires dem niederländischen SS-Mann und Journalisten Willem Sassen gegeben hatte und fand darin zu seinem Schrecken mehr als 400 Namen. Man befürchtete, ehemalige Nazis in wichtigen Positionen in der Bundesrepublik, allen voran Staatssekretär Hans Globke, könnten belastet werden.

Aber die Regierung Adenauer, die sich so lange nicht für Eichmann interessiert hatte, agierte nun zielstrebig und auch erfolgreich. Der BND war durch den Agenten Rolf Vogel im Gerichtssaal vertreten, der als Korrespondent der „Deutschen Zeitung“ auftrat. Vogel konnte unter anderem nach Bonn berichten, dass Generalstaatsanwalt Gideon Hausner im Prozess stets von Nazis, nicht aber von Deutschen sprach. Diese Sprachregelung war zwischen Adenauer und Ben Gurion erörtert worden, die sich im Jahr zuvor im New Yorker Waldorf Astoria getroffen hatten, um eine neue Phase deutsch-israelischer Beziehungen einzuleiten.

Auch vor kriminellen Machenschaften schreckte man nicht zurück. Der Ost-Berliner Staranwalt Friedrich Karl Kaul bemühte sich intensiv, beim Eichmann-Prozess als Nebenkläger zugelassen zu werden. In der DDR war man kurz vor dem Mauerbau sehr interessiert daran, die Bundesrepublik als revanchistisch und von alten Nazis regiert darzustellen. Um dies zu verhindern, brach der BND in Kauls Hotelzimmer in Jerusalem ein und stahl seine Prozessunterlagen. Parallel übte Adenauer, der seinen erheblich belasteten Staatssekretär Globke aus der Schusslinie halten wollte, Druck auf Israel aus. Tatsächlich erließ das israelische Parlament kurz vor Prozessbeginn ein Änderungsgesetz zur Strafprozessordnung, dass die Möglichkeit der Nebenklage abschaffte. Kaul, der später im Auschwitz-Prozess und vielen deutschen NS-Prozessen als Nebenkläger auftrat, musste sich in Jerusalem mit der Rolle des Prozessbeobachters begnügen. Nach Abschluss des Prozesses genehmigte Adenauer Rüstungshilfen an Israel in Höhe von 240 Millionen DM.

Dieses Geschehen liegt lange zurück, aber in Deutschland tut man sich weiterhin schwer damit. Geulen betonte, dass es seit dem Regierungswechsel 2005 wieder sehr restriktiv zugehe: „Das Bundeskanzleramt verhindert Aufklärung.“ Zeithistoriker und Öffentlichkeit sollten sich das nicht bieten lassen. Geulens Vortrag wurde sachkundig ergänzt durch ein Korreferat des Historikers Norbert Kampe, dem Leiter der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz. Kampe wies darauf hin, dass es absurd sei, wenn die deutschen Behörden die Akteneinsicht zu verhindern suchten mit der Begründung, Rücksicht auf befreundete Dienste zu nehmen. CIC und FBI haben ihre Akten bereits 1998 freigegeben. Jeder kann sie im Internet lesen. Kampe nannte diese Freigabe beispielhaft für den Umgang mit Geheimdiensten in einer Demokratie. Auch der Mossad hat seine Eichmann-Akten längst deklassifiziert, auch sie sind auf einer Website der israelischen Regierung zu finden. Umso unverständlicher, wenn das Bundeskanzleramt die Aufarbeitung der Akten weiter sabotiert.

Die Diskussion über die hoch interessanten Vorträge erreichte leider nur selten das Niveau des zuvor Gehörten. Auffallend war, dass unter den Fragestellern alte Stasi-Kämpen waren, die im Stil des Braunbuchs gegen die „Adenauer-Globke-Regierung“ polemisierten. Aber der Kalte Krieg ist vorbei. Diese Erfahrung musste schon Friedrich Karl Kaul machen, der nach Ulbrichts Ablösung als Parteichef der SED im Mai 1971 immer seltener die Genehmigung der DDR-Führung erhielt, vor bundesdeutschen Gerichten als Agitator aufzutreten.

Gabriele Weber und ihr Anwalt haben eine wichtige Bresche geschlagen. Der Erste, der davon profitierte, ist der Zeithistoriker Peter Hammerschmidt, der über Klaus Barbie forscht und jüngst erste Ergebnisse seiner Recherchen im BND-Archiv präsentieren konnte. Er fand heraus, dass Barbie unter seinem Decknamen Klaus Altmann eine Zeit lang gar als Agent für den BND gearbeitet hat. Spannend bleibt, was die Anfang 2011 eingesetzte Historikerkommission zur Erforschung des BND herausfinden wird. In diesem Punkt war der sonst so optimistische Geulen auffallend skeptisch.

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