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Kultur: Afghanistan - Der nächste Schritt des Militärs: An vorderster Front

Washington. Seit dem Kosovokrieg hat das Wort "Bodentruppen" eine fast magische Bedeutung.

Washington. Seit dem Kosovokrieg hat das Wort "Bodentruppen" eine fast magische Bedeutung. Demzufolge leitet der Moment, wenn ein ausländischer Soldat mit seinem Stiefel den Boden des gegnerischen Landes betritt, eine neue Qualität des Kampfes ein. Zumindest gilt dies als Zeichen einer besonderen Entschlossenheit. Für Militärs stellt sich die Lage nüchterner dar. Im Rahmen der gesamten Strategie ist der Einsatz von Bodentruppen nur eine Maßnahme unter vielen. Selbst die Regel, dass Bodentruppen verwundbarer sind als andere Einheiten, trifft nicht immer zu. Im Falle Afghanistans etwa sind die Flugzeugangriffe durchaus riskant, weil die Stützpunkte der Maschinen zum Teil sehr weit entfernt vom Einsatzgebiet liegen und weil keiner genau weiß, über wie viele Stinger-Raketen die Taliban-Milizen verfügen.

Doch Mythen sind beständig. Die Öffentlichkeit konzentriert sich auf Bodentruppen. Am Mittwoch soll US-Präsident George W. Bush deren Einsatz zum ersten Mal angekündigt haben. Das stimmt zwar nicht, aber gegen Fixierungen sind Dementis machtlos. "Wir bereiten den Weg für befreundete Truppen am Boden, um das Netz langsam, aber sicher enger zu ziehen", hatte Bush gesagt. Später stellte das Weiße Haus klar, dass mit dem Begriff "befreundete Truppen" die oppositionelle Nordallianz gemeint war.

Bewaffnete Drohnen

Allerdings steht der Einmarsch von US-Soldaten in Afghanistan tatsächlich kurz bevor. Die zweite Woche der "Operation dauerhafte Freiheit" nähert sich ihrem Ende. Seit Anfang dieser Woche hätten die Zeitungen täglich titeln können: "Bislang schwerste US-Angriffe auf Afghanistan." Die Ziele wurden von festen Installationen auf mobile Truppen des Gegners ausgedehnt, geflogen wurde nicht mehr nur nachts, sondern auch tagsüber. Offenkundig werden nun jene Taliban-Milizen ins Visier genommen, die an vorderster Front gegen die Nordallianz kämpfen.

Zum Einsatz kommen neben Bombern und Jets auch extrem tief fliegende Flugzeuge vom Typ "AC-130", die speziell für die Bodenunterstützung konzipiert sind. Sie werden ergänzt durch unbemannte, aber bewaffnete Drohnen vom Typ "RQ-1 Predator", die in Afghanistan zum ersten Mal eingesetzt und in Fachkreisen bereits als Revolution gefeiert werden. Die langsam fliegende und von Propellern angetriebene Maschine ist ausgestattet mit hochmodernen Kameras, die von den USA aus bedient werden, also Tausende von Kilometern entfernt. An Bord hat sie lasergesteuerte Hellfire-Raketen, die zielgenau koordiniert werden können.

Experten erwarten, dass die US-Bodenoffensive beginnen kann, wenn Landezonen für Hubschrauber erobert und gesichert wurden. Das betrifft vor allem die Flughäfen der Städte Masar-i-Scharif, Kandahar und Kabul. Einheiten der Nordallianz sollen bereits bis an den Stadtrand von Masar-i-Scharif vorgedrungen sein. Die Einnahme der Stadt wäre von großer strategischer Bedeutung. Die Bodentruppen werden vermutlich aus zwei Richtungen kommen. Zum einen sind bereits US-Gebirgsjäger sowie Spezialeinheiten in Usbekistan stationiert. Von dort aus haben sie es nicht weit bis Masar-i-Scharif. Zum anderen kreuzt der Flugzeugträger "Kitty Hawk" vor der Küste Pakistans. An Bord befinden sich einsatzbereite Spezialkräfte. Sie könnten nach Kabul und Kandahar vorrücken. Der Nachschub könnte über Oman laufen. Dort halten sich rund 3000 britische Soldaten zu Manövern auf.

Einsatz für Blauhelme

Etwas weniger erfolgreich als die Militäroperation verlaufen die politischen Bemühungen. Die Frage, was aus Afghanistan werden soll, ist völlig offen. Zwischen der US-Regierung und den Vereinten Nationen bahnt sich sogar eine erste Auseinandersetzung darüber an. Außenminister Colin Powell befürwortet ausdrücklich eine friedensstiftende Funktion der UN. Eventuell müssten sogar Blauhelme einrücken. Im Widerspruch dazu äußerte sich jetzt der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi. Die Afghanen würden sich wohl jedem Versuch widersetzen, ausländische Truppen in ihrem Land zu stationieren. "Die Vereinten Nationen können nicht überall auf der Welt aktiv werden", sagte er. Er sei sich in dem Punkt einig mit UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Bis dieses Problem akut wird, dauert es noch. Vor seiner Abreise nach China hat Bush asiatischen Zeitungen gesagt: "Merken Sie sich meine Worte! Die Menschen werden des Krieges gegen den Terrorismus irgendwann überdrüssig. Denn er wird länger dauern als zwei Jahre. Sie fragten, ob es ein oder zwei Jahre sein werden. Ich gehe davon aus, dass die Operation noch länger dauert."

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