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Basilikumblatt

© Andrea Warnecke

Aktionskünstler Klaus Rudolf: Ist das Kunst oder komme ich dafür in den Knast?

Sind doch nur drei Pflänzchen: Der Aktionskünstler Klaus Rudolf steht vor Gericht, weil er Basilikumtöpfe stahl.

Brütende Hitze in Saal 618 des Moabiter Landgerichts, der Vorsitzende Richter schwitzt in seiner schwarzen Robe. Eine geschnitzte Sonne in der Holztäfelung hinter ihm wirft ihre sengenden Strahlen zusätzlich auf das Geschehen, das Auge der Gerechtigkeit. Der Richter hat keinen leichten Fall vor sich, der Angeklagte erklärt seinerseits die Verhandlung zum „Showprozess“. Nichts Geringeres als die Kunst steht hier vor Gericht, denn Klaus Rudolf will sich mit seiner Tat – der Entwendung von drei Basilikumpflänzchen in einem Laden – nicht als Dieb, sondern als Künstler verstanden wissen.

Als juristischen Beistand hat sich der Berliner Aktionskünstler den früheren Justizsenator Michael Braun geholt, der seit vielen Jahren für die CDU im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses sitzt und sich auskennt mit der Kunst. Lange dauert die Verhandlung nicht an diesem Freitagnachmittag, denn Verteidiger Braun bittet sogleich um Vertagung. Als Sachverständige und Zeugen für die nächste Verhandlung schlägt er den Philosophen Bazon Brock und die frühere Talkmasterin Sabine Christiansen vor. (Deren Klage gegen eine Dresdner Operninszenierung von 2004, in der ihre Erschießung empfohlen wurde, war damals abgewiesen worden.) Der Richter nimmt den Antrag erleichtert an, die Staatsanwältin ist ebenfalls sogleich einverstanden, denn der Fall übersteigt ihre Kräfte: Über Kunst befinden wollen sie beide nicht. Der Richter nennt sich unumwunden einen „Banausen“. In den Vorgesprächen hatte er noch ein psychiatrisches Gutachten für den Angeklagten empfohlen.

Für den Aktionskünstler Klaus Rudolf ist die Vertagung ein erster Triumph. Die Justiz nehme sein Anliegen ernst, behandle seinen Diebstahl nicht als gewöhnliches Delikt. Mit dem Klau der Basilikumpflanzen will er den Konflikt zusätzlich anheizen, den er seit Jahren schürt. Bereits 2003 stand er vor Gericht, nachdem er, ausgerechnet, Sartres Denkschrift zum Freiheitsbegriff gestohlen hatte.

Die Grenze zwischen Kunst und Leben auflösen

„Ist das Kunst oder komme ich dafür in den Knast?“ – die Diskussion ist bekannt. Als Christoph Schlingensief Geldscheine zum Fenster hinauswerfen (und verschenken) wollte, stoppte die Deutsche Bank das Projekt wegen „betrügerischer Kalkulation“. Wer Geld oder Flaggen verbrennt und dies zur Performance erklärt, riskiert juristische Auseinandersetzungen. Wenn Ai Weiwei eine kostbare chinesische Han-Vase fallen lässt, ist das Konzeptkunst. Wenn jedoch ein anderer Künstler, wie 2014 im Museum in Miami geschehen, eine von Ai bemalte Han-Vase zerstört, wird er festgenommen. Rudolfs „Kollege“, der New Yorker Kunstprofessor Joe Gibbons, wurde im Juli zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, wegen Bankraubs. Er konnte nicht glaubhaft machen, dass es sich bei seinem Gaunerstück um eine Performance handelt – auch wenn er nur 1000 Dollar erbeutete.

Die „Straftäter“ Gibbons und Rudolf haben das Gleiche im Sinn. Sie wollen die Grenze zwischen Kunst und Leben auflösen. Für Rudolf wäre es deshalb der passende Tag, wenn sein nächster Prozesstermin auf den 5. Februar 2016 fiele, den 100. Geburtstag von Dada. Damals fing das an mit dem schönen Quatsch, dem es doch bitterernst ist. Künstler tarieren seit jeher die Grenzen aus, provozieren die Gesellschaft. Rudolfs persönlicher Schutzheiliger ist denn auch Jospeh Beuys, von dem der Satz stammt „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Der Berliner Zögling folgert daraus, dass seine Übergriffigkeiten ein künstlerischer Akt seien, mithin straffrei.

Genau darüber herrscht jedoch Uneinigkeit bei den Gerichten. Der Performer und Regisseur Jonathan Meese wurde zuletzt für seinen Hitlergruß freigesprochen – so frei ist die Kunst. Rudolfs Verteidiger Michael Braun will jetzt Klarheit, deshalb interessiert ihn der Fall. Die „immanenten Grundrechtsschranken“ verschieben sich mit den Jahren. Was erlaubt, was verboten ist, verändert sich. Wo stehen wir heute, will er wissen.

Und was ist mit der Aufforderung zu Straftaten? Wenn Bushido zum Mord an Claudia Roth aufrufen darf, in Dresden der Kopf von Sabine Christiansen gefordert wird und Schlingsensief mit seinem Appell „Tötet Helmut Kohl“ durchkam, dann ist die Aktion mit den Basilikumpflänzchen ja wohl gerechtfertigt, so die Logik. Die Freisprüche in diesen Fällen verwiesen allerdings jeweils auf den Kontext:  Die künstlerische Freiheit endet da, wo die Alltagswirklichkeit beginnt.

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