zum Hauptinhalt
Ab in die Unterwelt. Don Giovanni mit Statisten an der Deutschen Oper. Foto: M. Lieberenz

© Marcus Lieberenz / bildbuehne.de

Kultur: Alle Mann in Deckung!

Es ist das absolute Trauma eines jeden Orchestermusikers: dass ihm etwas auf den Kopf fallen könnte. Denn er sitzt unten und im Dunkeln, wenigstens in der Oper ist das so, während oben im Rampenlicht das Weltbühnengeschehen tobt – Liebe, Lust, Laster, Leidenschaft.

Es ist das absolute Trauma eines jeden Orchestermusikers: dass ihm etwas auf den Kopf fallen könnte. Denn er sitzt unten und im Dunkeln, wenigstens in der Oper ist das so, während oben im Rampenlicht das Weltbühnengeschehen tobt – Liebe, Lust, Laster, Leidenschaft. Oft sind es nur Requisiten, die nach vorne kullern und bei Wagner eine Tuba verstopfen oder Verdis kostbaren „Aida“-Trompeten eine Beule zufügen. Unreifes Obst kommt hier gern infrage und alles, was man werfen kann, Murmeln, Dildos, Bierflaschen, Handgranaten, was das Regietheater und seine Ästhetik gerade so hergeben.

Auch Menschen fallen bisweilen in Orchestergräben: Regisseure beim Inszenieren, wenn sie den entscheidenden Schritt nach hinten zu viel tun, Diven im Rausch der Ovationen. Von Marlene Dietrich ist Einschlägiges bekannt, ihr Auftritt in Sydney 1975, den sie unfreiwillig im Graben beendete, sollte der letzte ihrer Karriere sein, und der legendäre Opernregisseur Jean-Pierre Ponnelle ist letztlich sogar an den Folgen eines solchen Sturzes gestorben, geschehen 1988 in Tel Aviv.

Der Schreck muss also groß gewesen sein am vergangenen Donnerstag in der Deutschen Oper Berlin: Als im zweiten Akt von Mozarts „Don Giovanni“, unmittelbar vor der finalen Komturszene, einer der Statisten auf dem schmalen Steg zwischen Eisernem Vorhang und Rampe stolperte und tatsächlich in den Orchestergraben fiel. Nicht so sehr wegen der Mickey-Maus-TotenschädelMaske, die er trug, und auch nicht so sehr wegen der einerseits sicher traurigen, andererseits glimpflichen Bilanz des Zwischenfalls: Ein gebrochener Statistenarm, ein paar blaue Flecken bei den Musikern, ein Kratzer auf einer nicht ganz wertlosen Violine – es hätte wahrlich schlimmer kommen können.

Nein, der Schreck war gewaltig, weil er immer gewaltig ist und wiederum traumatisch, sobald die Realität die Illusion zerstört. Saallicht, Notarzt, Abbruch der Vorstellung, wer fühlte sich da nicht ertappt in seinen heimlich-unheimlichen Affekten und Emotionen! Im Kino sind das die Momente, in denen der Film reißt, am Morgen ist es der Wecker, der über Schlaf und Traumgespinste triumphiert. Den schmalen „Don Giovanni“Steg hat die Deutsche Oper nun gegen einen breiteren „Zauberflöten“-Steg ausgetauscht. Und statt des Eisernen ist ein Meter weiter hinten ein normaler Vorhang im Einsatz. Auf dass der Verführer aller Verführer fortan sicher zur Hölle fahre. Und die Musiker die Köpfe frei haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false