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Woody-Allen-Doku: Alle sagen: We love you

Bestimmt hätte man ihn insgesamt noch wirkungsvoller ausfragen können. Aber wenn Woody Allen schon von selber allerlei preisgibt - zum Beispiel über seine geliebte Schreibmaschine? Robert Weides "Woody Allen: A Documentary“ ist ein Genuss. Nicht nur für Fans.

Die Schreibmaschine benutzt er seit 1952. Alles, wirklich alles hat Woody Allen darauf geschrieben: die Witze in seiner Zeit als Gagschreiber und Stand-upComedian, die Drehbücher für seine 42 Filme, die Theaterstücke, die Essays für den „New Yorker“. Als Woody-Allen-Fan hat man schon viel von der legendären Olympia gehört. Aber es ist wunderbar, sie endlich einmal zu sehen, mit ihrer offenen Mechanik (der Deckel ging früh verloren) und den fliegenden Fingern des Meisters. Aber Copy und Paste am Computer ist doch praktisch!, gibt der Dokumentarist Robert Weide zu bedenken. Worauf Woody Allen vorführt, wie fix er Passagen beim Transkribieren umstellen kann: mit Schere und zwei kleinen Heftklammergeräten. Ganz schön geschickt für einen, der seinen Witz seit jeher aus dem Ungeschick der Menschen zaubert.

Fast zwei Jahre hat der amerikanische Dokumentarfilmer den Regisseur begleitet und Weggefährten interviewt: Allens Schwester und Produzentin Letty Aronson, seine Freunde Martin Scorsese und Dick Cavett, den frühen Manager Jack Rollins, die Schauspieler Diane Keaton und Martin Landau, Mariel Hemingway, Scarlett Johansson, Penelope Cruz, Naomi Watts und Sean Penn, Biografen, Filmkritiker und viele mehr. Zwar ist Weide für den Porträtfilm „Woody Allen: A Documentary“ nichts Besseres eingefallen, als die Mosaiksteine chronologisch zu ordnen und die Film-, Interview- und Archivschnipsel so hektisch wie konventionell zu montieren; Woody Allen hätte Intelligenteres verdient. Aber erstens rückt Allen ständig ins Bild, was für einen hohen Unterhaltungswert sorgt. Ob er nun vor seiner Grundschule in Brooklyn vom lausigen Schüler erzählt, der er einst war, oder in Cannes auf die Journalistenfrage nach dem Tod beteuert: „Mein Verhältnis zum Tod ist immer das Gleiche. Ich bin entschieden dagegen.“

Zweitens verschafft es einem die Gelegenheit, Allens gigantisches Œuvre Revue passieren zu lassen, die schönsten Stellen aus seinen Filmen, die Slapsticks in „Woody, der Unglücksrabe“, die Liebesszenen in den romantischen New-York-Komödien „Der Stadtneurotiker“ und „Manhattan“, die Aliens in „Stardust Memories“, die auch nur Witziges von ihm wollen, die Europa-Filme, von „Match Point“ bis „Midnight in Paris“. Gut zu wissen, warum Allen Stewart Konigsberg sich einen Künstlernamen zulegte (er schrieb schon in der Schulzeit Gags für die Zeitung und wollte nicht gehänselt werden) und wie er an seine Brille geriet (abgeguckt).

Von keinem Produzenten lässt er sich auch nur im Geringsten reinreden, dafür liefert er jährlich einen Film ab und bleibt im Budget. Seine Schauspieler gängelt er allenfalls sanft – weshalb sie sich um Drehs mit ihm reißen. Schade nur, dass der Film keine Tiefenbohrung vornimmt, über das Jüdische in Allens Werk, seine Obsession für Krankheit und Versagen, sein Amerika- und Europabild oder die knifflige Frage nach dem Skandal 1992 (um Mia Farrow und die Adoptivtochter, seine heutige Ehefrau) und den Ehemännern und -frauen in seinen Filmen.

Was einen dennoch ehrfürchtig erblassen lässt, ist die schiere Menge seiner Plots und Pointen, die unerschöpfliche Produktivität des 71-Jährigen. Allens Mutter, die in einem Interviewausschnitt grell geschminkt und mit Riesenbrille erzählt, wie der wilde Sohn sie einst überforderte, wurde 95 Jahre alt, sein Vater 100. Altwerden hat er in den Genen. Und seine Schreibtischschublade ist mit Ideen-Notizen vollgestopft. Was für ein Trost: Noch viele Filme von Woody Allen warten auf uns. Der nächste, „To Rome with Love“, kommt Ende August ins Kino.

In fünf Berliner Kinos (OmU)

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