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Kultur: Alle wollen Porsche fahren Eine Gema-Debatte bei den Berlin Music Days

Die Zeiten des unbeschwerten Feierns sind in Berlin vorbei. Debatten um Gentrifizierung und Ibizaisierung begleiten den Clubgänger von heute.

Die Zeiten des unbeschwerten Feierns sind in Berlin vorbei. Debatten um Gentrifizierung und Ibizaisierung begleiten den Clubgänger von heute. Einfach nur fünf Tage am Stück Party in den einschlägigen Clubs der Stadt anzubieten, das reicht auch den noch bis Sonntag laufenden Berlin Music Days nicht. Tagsüber werden in Gesprächsrunden die Probleme diskutiert, die seit dem Aufstieg Berlins zur Partymetropole nicht nur für irgendeine kleine Szene von Bedeutung sind, sondern für das Selbstverständnis der ganzen Stadt. Zumindest teilweise. Sexismus in der Clubkultur beispielsweise ist dann doch eher ein Szeneproblem. Erst vor ein paar Wochen wurde es auf dem Perspectives Festival im About Blank ausgiebig diskutiert. Doch dass sich nun auch die Berlin Music Days der traurigen Tatsache widmen, dass 90 Prozent der Club-DJs Männer sind, beweist immerhin, dass man die Sache endlich ernst nimmt.

Die Feierei ist in Berlin längst ein boomender Industriezweig. Mit dem Erfolg kam aber auch die Angst, dass es bald wieder bergab gehen könnte. Das bekommt man schön mit, wenn man all die Problemwälzrunden mit den Berlin-Nostalgiebüchern kontrastiert, die in der letzten Zeit erschienen sind und die in Lesungen während der Berlin Music Days nochmals vorgestellt werden. In Bänden wie „Nachtleben Berlin von 1974 bis heute“ (Metrolit) geht es immer um eine Zeit, in der man Partys angeblich noch allein wegen des Spaßes organisierte und nicht, weil man als Clubbetreiber genug einnehmen musste, um einen Stamm von 20 Mitarbeitern bezahlen zu können.

Ben de Biel war früher Betreiber der Maria am Ostbahnhof. Heute arbeitet er wieder in seinem früheren Beruf als Fotograf und ist Pressesprecher der Piratenpartei. Bei der Podiumsdiskussion über den aktuellen Stand der Gema-Tarifreform im Ritter Butzke sitzt er aber doch eher als ehemaliger Clubbetreiber. Nur eine kleine Runde kann sich für das Thema erwärmen. Dabei ist es spannend mitzubekommen, wie die Gema, gegen die noch letztes Jahr in Berlin demonstriert wurde, nun nicht mehr nur als Totengräber der Club-Szene gesehen wird. Letztes Jahr kündigte die Gema eine Tarifreform für 2013 an, woraufhin mehrere Berliner Clubs vorrechneten, dass sie bei deren Umsetzung nicht mehr wirtschaftlich arbeiten könnten. Selbst das Berghain drohte mit Schließung. Nun wird die Tarifreform erst 2014 kommen und das in einer Form, in der kein Club um seine Existenz fürchten muss.

Ben de Biel ist zwar Mitglied der Piraten, stimmt aber in Urheberrechtsfragen nicht mit seiner Partei überein. Als Fotograf möchte er für seine Bilder angemessen bezahlt werden und so könne er es verstehen, dass die Gema ihr umstrittenes Monitoring in Clubs ausbaue, bei dem DJ-Sets auf Gema-pflichtige Stücke untersucht werden. Bislang geschieht das stichprobenartig. Gegner des Monitorings sagen, das System sei zu fehleranfällig und ein DJ-Set sei ohnehin ein künstlerischer Akt, der mit den Gema-Kriterien nicht erfasst werden könne.

Olaf Möller von Livekomm, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland, sagt, man habe zusammen mit der Gema eine Arbeitsgruppe gegründet und sei zuversichtlich, dass dabei etwas Gutes herauskomme. Bei Ralf Kollmann, dem Mitbetreiber des Berliner TechnoLabels Mobilee, hört man sogar heraus, dass er den Vorstoß der Gema begrüßt. Die Musik seines Labels werde weltweit in den Clubs gespielt, er frage sich aber, warum er so geringe Einnahmen habe. Er kenne Clubbetreiber, die einen Porsche führen. Macher von kleinen Labels könnten sich so etwas nicht leisten. „Der Verkauf von Platten bringt kaum noch Geld, deshalb muss endlich das Abspielen von Platten im Club angemessen vergütet werden“, fordert er. Andreas Hartmann

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