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Kultur: Allein in Bad Breisach

In der Schule wurde er gefragt, ob er die Arbeit mitschreiben möchte oder sich lieber gleich eine Drei abholt. Typisch Frank Weber ("großes W, kleiner Eber") - und typisch Thomas Freitag, der mit dieser Verkörperung der angeborenen Normalität seit zwei Jahren über die Kabarettbühnen der Republik zieht.

In der Schule wurde er gefragt, ob er die Arbeit mitschreiben möchte oder sich lieber gleich eine Drei abholt. Typisch Frank Weber ("großes W, kleiner Eber") - und typisch Thomas Freitag, der mit dieser Verkörperung der angeborenen Normalität seit zwei Jahren über die Kabarettbühnen der Republik zieht. Frank Weber ist Sparkassenangestellter und verteilt bei den Wühlmäusen originelle Tipps, wie man "Millionär in 98 Minuten" wird. Doch bald findet man heraus, dass er sich eigentlich nicht wohl fühlt in einer Welt, in der "1000 Steuertricks" weiter verbreitet sind als die Bibel. Während um ihn herum sich alles globalflexibilisiert, und jeder darum ringt, der modernste Modernisierer zu sein (wie Toni Blair, der sich selbst modernisiert und sich ab sofort Maggie Thatcher nennt), verbringt Frank Weber seinen Urlaub immer noch am liebsten in Bad Breisach, mit Bömmelslippern über den weißen Socken. Dagegen fährt sein Kollege Harald mit dem Cabrio durch Lybien. Das finden alle "spannend", auch Fräulein Lenz - und die lässt sich auch von den Guppys zu Hause in Franks Aquarium nicht ersetzen. Also beschließt er sein Leben in die Hand zu nehmen, um endlich über seinen Schatten zu springen - und klaut zwei Euro.

Man glaubt Thomas Freitag seinen Frank Weber. Der schier endlose Text, den ihm Dietmar Jacobs geschrieben hat, wird zum pausenlosen Powerplay: Mit perfektem Timing fegt Freitag über die Bühne, entwickelt mit Leichtigkeit aus dem Nichts einleuchtende Bilder und parodiert die heutige Raff-Gesellschaft: "Es soll Leute geben, die haben ihre eigene Beerdigung als Dienstreise abgesetzt." Scheinbar nebenher stellt er mit viel Gespür die persönlichen Nöte der tragisch-symphatischen Existenz Frank Webers dar, dessen Bahnen eigentlich immer weiter so herrlich parallel verlaufen könnten, wenn da nicht Fräulein Lenz wäre, von der er sich aus seinen spießigen Reserven locken läßt. So ist die One-Man-Show keine Aneinanderreihung von Stand-up-Nummern, sondern wird zu einem in sich schlüssigen Drama. Schließlich, nach genau 98 Minuten, gelangt Thomas Freitag an sein Ziel - und hat sich eine Eins verdient.

Anton Waitz

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