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Kultur: Alles Psycho

Die Psychoanalyse ist etwa genauso alt wie das Kino. 1895 etwa, als Max Skladanowsky seine Kamera im Berliner Wintergarten aufstellte, diagnostizierte Sigmund Freud bei einer Patientin Hysterie, obwohl sie nur an den Folgen einer unsauber ausgeführten Operation litt.

Die Psychoanalyse ist etwa genauso alt wie das Kino. 1895 etwa, als Max Skladanowsky seine Kamera im Berliner Wintergarten aufstellte, diagnostizierte Sigmund Freud bei einer Patientin Hysterie, obwohl sie nur an den Folgen einer unsauber ausgeführten Operation litt. Der nachlässige Chirurg war ein Freund Freuds; wohl auch ihm zuliebe beharrte Freud auf der These, die Frau sei hysterisch. Ein gewissermaßen doppelter Kunstfehler – die Erkenntnis, wonach körperliche Symptome mitunter auch Wunscherfüllungsfunktion haben können, hat er dennoch angestoßen.

Kino und Psychoanalyse haben sich immer wieder beeinflusst. Sobald es die Technik zuließ, gab es Traumsequenzen auf der Leinwand. Mal warb das Kino für die neue Heilmethode, mal trat ein Analytiker als krimineller Hypnotiseur auf. Umgekehrt hat das Kino den Psychoanalytikern viel über die Träume des Normalbürgers verraten. Unmittelbare Filme zum Thema allerdings führen ein Schattendasein; psychische Störungen folgen keiner publikumswirksamen Dramaturgie. Ein Trauma lässt sich nicht so leicht lösen wie ein Kriminalfall. Und doch können auch solche Filme auf ihre Weise spannend sein. In der Filmreihe Ausnahme/Zustand über Depression und psychische Erkankungen (ab heute in den Hackeschen Höfen und im Kleisthaus/Mitte, Mauerstraße 53) werden die unterschiedlichsten Kulturkreise beleuchtet. Marek Bensmalls Aliénations spielt in Algerien, wo durch islamische Mythologie geprägte Patienten mit dem europäischen Rationalismus der Therapie konfrontiert werden. Von einer verstorbenen Borderline-Patientin handelt Teresa Renns Janine F. , das Porträt einer jungen Künstlerin, die im November 2002 vom Dach des Tacheles sprang. Die Hauptattraktion der Reihe dürfte Jonathan Caouettes Collagefilm Tarnation sein: Der 32-Jährige hat seit seinem zwölften Lebensjahr sich und seine manisch-depressive Mutter gefilmt, diese Super-8Home-Movies im Computer gespeichert und sie in eine verblüffende Form gebracht (ab 8. Juni auch regulär im Kino).

Zu den von Caouette bewunderten Regisseuren gehört Lars von Trier, der am Sonntag 50 wird – und mit „Breaking the Waves“ und „Idioten“ für zwei der stärksten Filme über psychische Erkankungen verantwortlich zeichnet. Das Nickelodeon ehrt ihn zu dem Anlass mit dem asketischen Rassismus-Drama Manderlay (heute und Sonnabend bis Montag). Die Hauptdarstellerin Bryce Dallas Howard musste für Nicole Kidman einspringen, die nach „Dogville“ kein zweites Mal mit von Trier arbeiten wollte. War ihr die Gage zu niedrig, der Drehort Schweden zu weit – oder macht das Arbeiten mit Lars von Trier womöglich depressiv?

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