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Kultur: Als der Musik das Hören verging

Das Musikvideo war gerade erst zehn Jahre alt, da widmete ein Münchener Museum ihm bereits eine Hommage. So schnell kann’s gehen.

Das Musikvideo war gerade erst zehn Jahre alt, da widmete ein Münchener Museum ihm bereits eine Hommage. So schnell kann’s gehen. Nun, 26 Jahre nach dem hellsichtigen Buggles-Song „Video Killed The Radio Star“ und den Zeilen „We can’t rewind we’ve gone to far / Pictures came and broke your heart / Put the blame on VTR“, hat das Medium seine Faszination und Strahlkraft eingebüßt. Es leitete den letzten kommerziellen Exzess der Musikindustrie ein, ermöglichte Superstars wie Madonna, Michael Jackson und Depeche Mode. Durch visuelle Artisten wie David LaChapelle, Michel Gondry, Anton Corbijn und Chris Cunningham, die über astronomische Budgets verfügten, erlebte der Videoclip in den neunziger Jahren eine kurze, aber inspirierende Blütezeit.

Doch längst sind die Kamerakünstler ins Kino abgewandert, die Plattenkonzerne geben nur noch ein Bruchteil dessen für Videos aus, was ihnen die Drei-Minuten-Präsenz auf Musiksendern wie MTV oder VIVA einmal wert war. Denn im Musikfernsehen taucht Musik kaum noch auf. Videoclips sind zur Klingeltonwerbung verkommen. Ständig ragen irgendwelche Balken ins Bild, verkleinern und zerstückeln es in parallele Botschaften („Hey Thommy, ich liebe Dich“). Der Clip, der die Musik einst dem Sog abwegiger Fantasiewelten aussetzte, ist heute umrahmt von Werbeschrott. Die Zeit bis zum Ende des Videos wird am Rand heruntergezählt. Wie ein Countdown. Unter solchen Umständen verlegen sich Videoregisseure auf Schlüsselreize: Brüste, Schenkel, Ärsche, Muskeln oder eine Keilerei. Es wundert einen nicht, dass Hip-Hop in der Videonische überlebt.

KM

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