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Kultur: Als die Panzer am Checkpoint Charlie standen US-Unterlagen zum Krisenjahr 1961

Eine Stadt – gespalten. Der Bau der Berliner Mauer.

Eine Stadt – gespalten. Der Bau der Berliner Mauer.“ So heißt der Titel einer Broschüre, die vor wenigen Wochen vom amerikanischen Nationalarchiv in Washington zum 50. Jahrestag des Mauerbaus vorgestellt wurde. Obwohl der Umfang mit gerade einmal 52 Seiten höchst bescheiden wirkt, verbirgt sich dahinter die Publikation einer umfangreichen Dokumentensammlung zur Berlinkrise von 1961. Insgesamt sind es 370 Dokumente mit rund 4800 Seiten Text, die auf einer Diskette im Anhang der Broschüre nachzulesen sind.

Und gerade für die bei uns im vergangenen Jahr zum Jubiläum des Mauerbaus so heftig diskutierte Frage, ob nun der sowjetische Führer Nikita Chruschtschow oder der SED-Chef Walter Ulbricht für den Bau der Berliner Mauer verantwortlich gewesen ist, liefert sie Antworten: In der amerikanischen Politik war das Thema Mauer bestenfalls eine Randerscheinung. Die Analytiker der CIA gingen bereits 1957 davon aus, dass die Sowjets die Zugänge nach West-Berlin blockieren würden, um Druck auf den Westen auszuüben. Die eigentliche Aufgabe bestand eher darin, die Rechte der Westmächte zu schützen, um ihre Truppen in Berlin zu stationieren und die Freiheit und Unabhängigkeit im Westteil der Stadt aufrechtzuerhalten.

Besonders hervorzuheben ist auch eine Studie, die innerhalb des Außenministeriums zum Selbstverständnis der Krise erarbeitet wurde. Sie umfasst nicht weniger als 600 Seiten und analysiert den Verlauf der Krise von 1958 bis 1962. Am Ende seines ersten Amtsjahres hatte Präsident Barack Obama angeordnet, die noch geheim gehaltenen Bestände der USA auf ihre Freigabe hin zu überprüfen. Die Dokumente stammen aus den Beständen des Außenministeriums, der amerikanischen Armee in Europa und dem Nachrichtendienst der CIA. Zur Einordnung der Dokumente liefert die Broschüre vier Beiträge von ausgewiesenen Experten. Neil Carmichael, Leiter des „National Declassification Center“ innerhalb des Nationalarchivs, liefert einleitend eine Gesamteinschätzung der amerikanischen Berlin-Politik. Donald Steury untersucht die Berichterstattung der CIA und Gregory Pedlow befasst sich mit der Nato und der sagenumwobenen Notfallplanung von „Live Oak“ für Berlin. Donald Carter schließlich verfolgt die Aktivitäten der neugegründeten Berlin Brigade, die sich unter anderem darauf konzentrierte, die Entstehung lokaler Unruhen zu kontrollieren. Dahinter stand die Erfahrung aus dem Koreakrieg, der durch Unruhen ausgelöst worden war, die das kommunistische Nordkorea gesteuert hatte.

Über das Treffen von Kennedy und Chruschtschow 1961 in Wien ist viel geschrieben worden. Von Carmichael erfahren wir jetzt, dass der neue und junge amerikanische Präsident in der Tat einen folgenschweren Fehler beging, als er in der hitzigen Debatte mit dem Sowjetführer entgegen seinen Unterlagen den sowjetischen Hinweis auf eine Teilung der Stadt nicht grundsätzlich zurückwies. Die Sowjets hielten ihn von da an für beeinflussbar. Erst seine Rede an die Nation am 25. Juli 1961 überzeugte Chruschtschow, dass die Amerikaner es ernst meinten in Berlin. Interessant ist, dass diese Rede von deutscher Seite immer wieder kritisiert wurde, weil sich die berühmten „three essentials“ nur auf West-Berlin bezogen hatten. Übersehen wurde dabei, dass Kennedy in dieser Rede das größte Aufrüstungsprogramm in der Nachkriegsgeschichte der USA bekannt gab und damit die Sowjetunion im Bereich der konventionellen Rüstung herausforderte.

Bis dahin hatte sich der Westen ausschließlich auf die atomare Abschreckung verlassen, doch den Einsatz von Atomwaffen zum Schutze Berlins hätte niemand verantworten wollen. Eine militärische Konfrontation, darüber waren sich die Analytiker der CIA seit langem einig, wollte auch die Sowjetunion nicht. Die Panzerkonfrontation am Checkpoint Charlie ließ dann beide Supermächte erkennen, wie leicht sie wegen Berlin in einen atomaren Konflikt hätten hineinschliddern können. Als die Panzer abzogen, war das Berlin-Problem nicht gelöst, aber der Krieg verhindert worden.

http://www.archives.gov/research/foreign-policy/cold-war/1961-berlin-crisis/nara-documents.html

 Helmut Trotnow

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