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Kultur: Als Könige noch güldne Schuhe trugen

Klaus Maria Brandauer inszeniert am Wiener Burgtheater Shakespeares „Hamlet“ – mit Michael Maertens in der Prinzenrolle

Diese Inszenierung ist wie eine gemütliche Zeitreise. Was macht es, dass unklar bleibt, in welche Zeit man hier versetzt wird – und warum und wozu. Diesen „Hamlet“ sollte man nicht mit Fragen belästigen. Müßige Erklärungen zu einer der rätselhaftesten Bühnenfiguren kann man ohnedies in jeder Bibliothek nachlesen. Der Star-Schauspieler Klaus Maria Brandauer hat bei seiner ersten Inszenierung am Wiener Burgtheater Wichtigeres vor, als vergrübelte Fragen zu beantworten: Es soll eine Verbeugung vor Shakespeare werden, ein Kniefall, eine Liebeserklärung an die Kunst des Schauspiels.

Einige Szenen werden bravourös aufgelöst: Selten hat man eine so sinnliche Gertrud gesehen wie Maria Happel. In schwarzes Mieder geschnürt, spielt sie Hamlets Mutter als liebestollen Vamp und lässt sich vom Mörder ihres Gatten, Claudius, einem messerscharfen Robert Meyer, gern begrapschen. Auch die verschmähte Ophelia ist diesmal ein ziemlich wildes Fräulein: Wie Birgit Minichmayr durchdreht, sich das feuerrote Haar rauft, am Nachthemd zerrt, sich mit Gebrüll und Gebrabbel in den Wahnsinn spielt, ist eine erstaunliche Leistung.

An diesem Abend hat jeder Schauspieler seinen großen Auftritt, dem man genau anmerkt, wie er entstanden ist: in liebevoller Kleinarbeit an der Geste. Wie ist es nun um die Hauptfigur bestellt, um Hamlet? Regisseur Brandauer beschäftigt sich, wie er nicht müde wird zu behaupten, schon sein Leben lang mit der berühmten Bühnenfigur. In den 70er Jahren hätte er „Hamlet“ in der Regie von Hans Neuenfels spielen sollen. Brandauer hat die Proben fluchtartig verlassen. Auch als er, mittlerweile ein Weltstar, 1985 den „Hamlet“ am Burgtheater mit Hans Hollmann erarbeitete, standen die Proben mehrmals vor dem Abbruch. Die werkgetreue Inszenierung indes stand bis 1989 an die hundert Mal auf dem Spielplan.

Brandauer, bekannt für seine Abneigung gegen das Regietheater, vertritt vehement eine Inszenierung ohne Eingriffe, bei der allein die Schauspieler glänzen sollen. Das rächt sich an der Ausgestaltung der Hauptfigur: Michael Maertens tritt in weißem Hemd und schwarzem Pullunder wie ein trotziger Schuljunge auf, den die Eltern zu früh aus der Schule genommen haben, und der nicht recht durchschaut, was ihm widerfährt. Da mag er noch so heftig auf die grauen Stellwände einhämmern, die die leer geräumte Bühne unterteilen.

Maertens will seinem Hamlet etwas Tragisch-Komisches abringen, aber er bringt einen bestenfalls zum Schmunzeln. In einem Interview äußerte Maertens, dass er die „50000 Facetten“ von Hamlet spielen wollte – er verliert sich jedoch in charmanten Details und vergisst die Entwicklung der Figur.

Die Inszenierung kommt über einzelne gelungene Momente nicht hinaus. Die dreieinhalb Stunden Spielzeit fügen sich nicht zu einem Ganzen. Bisweilen wirkt die Aufführung sogar unfreiwillig komisch, so wie in jener Schlüsselszene, in der der Geist von Hamlets Vater erscheint: Als Ritter in vergoldeter Rüstung mit zugeklapptem Visier sieht dieser wie ein Alien aus und bittet mit zittrigem Stimmchen um Rache. Schwer vorstellbar, dass diese Rede einer Witzfigur die blutrünstige Tragödie einleiten soll. Auch das Duell zwischen Laertes (Daniel Jesch) und Hamlet kommt einem wie eine Übung für Musterschüler aus der Schauspielschule vor: Minutenlang wird streng nach Lehrbuch mit Degen, Schild und Brustschutz gefochten.

Dieses Morden am dänischen Königshof, wo Könige noch kirschrote, samtene Roben und güldne Schuhe tragen, bleibt seltsam entrückt, wirkt weit entfernt. Erstaunlich, was für ein alter Schinken dieser „Hamlet“ sein kann – und wenig verwunderlich, dass das Premierenpublikum der Burg diese Inszenierung frenetisch bejubelt.

Petra Rathmanner

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