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Neue alte Erinnerungen: Am Droemer-Verlagsstand in Frankfurt stellt Helmut Kohl die Wiederauflage seiner Erinnerungen an die Zeit der Wende vor. Gemeinsam mit seiner Frau Maike Kohl-Richter.

© AFP

Alt-Kanzler auf der Frankfurter Buchmesse: Kohl präsentiert sein neues altes Buch "Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung"

Bodyguards bahnen ihm den Weg: Auf der Frankfurter Buchmesse stellt Helmut Kohl sein Buch mit Erinnerungen an die Einheit vor. Ghostwriter dafür war einst Heribert Schwan. Ausgerechnet: Schwan ist der Autor jener aktuellen Kohl-Protokolle, gegen deren Veröffentlichung der Altkanzler vorgeht.

Sein Buch endet mit der Einheitsfeier. „Draußen standen noch immer Zehntausende von Menschen. „Ihre ,Helmut! Helmut!“-Rufe ebbten nicht ab.“ Als Helmut Kohl am Mittwoch auf der Frankfurter Messe erscheint, um sein Buch „Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung“ vorzustellen, ist es still. Die Einheitsfeier ist 24 Jahre her und Kohl sitzt in einem Rollstuhl, für den ein gutes Dutzend Bodyguards eine Schneise schlagen. Begleitet wird er von seiner Frau Maike Kohl-Richter und „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann, zu sehen ist er erst, als er am Stand des Droemer Verlags im hohen Bücherrondell sitzt.

Den Mund ungewollt zusammengekniffen, die Augen aufgerissen, die rechte Hand auf dem Oberschenkel, nickt der Altkanzler, während der Verleger spricht. Bei Kohl, sagt der, „ist alles anders als im Normalfall“. Wie Mauerspechte ziehen die Zuschauer Bücher aus den Regalwänden, um besser sehen zu können. Statt Terziano Terzanis „Noch eine Runde auf dem Karneval“ oder Mechthild Borrmanns „Wer das Schweigen bricht“ der große Kopf des 84-Jährigen.

Kohl ist kaum zu verstehen. Am Mikrofon liegt es nicht

Kohl trinkt und faltet umständlich ein weißes Stofftaschentuch, das seine Frau ihm gereicht hat, dann beginnt er zu sprechen. Er ist so schwer zu verstehen, dass seine Frau aufs Mikrofon klopft, um zu testen, ob es angestellt ist. Kohl bleibt unverständlich. Dann, kurz klarer, seine Aufforderung, das Buch zu lesen, denn „es enthält die Wahrheit“.

Helmut Kohl hat kein neues Buch geschrieben, sondern aus seinen mehrbändigen Erinnerungen die Kapitel zur Einheit ausgekoppelt. Verfasst hat er diese Erinnerungen vor vielen Jahren mit Heribert Schwan. Mit jenem Schwan, der gerade in einem eigenen Buch mit Kohl abrechnet. Und so hält der Altkanzler auf der Buchmesse mit der starken linken Hand ein Buch in die Kameras, geschrieben von dem, der ihn gerade hintergangen hat und dessen Publikation Helmut Kohl verhindern will. Bei der Buchvorstellung in Frankfurt wird Schwan nicht erwähnt.

Vermutlich geht es Helmut Kohl mit der Wiederveröffentlichung nicht darum, der Geschichte etwas Neues hinzuzufügen. Sondern darum, dass etwas Altes nicht aus der Wahrnehmung verschwindet. Vor dem Frankfurter Auftritt hat er Henry Kissinger und James Baker getroffen, gestern hatten die beiden noch mit Hans-Dietrich Genscher in der American Academy den Mauerfall gefeiert. Für den „Kanzler der Einheit“, wie der Verleger ihn nennt, machen die beiden ehemaligen US-Außenminister einen Abstecher nach Frankfurt. Und so ist Kohl zum 25. Jahrestag des Mauerfalls präsent, mit diesem neuen alten Buch.

Nach einer halben Stunde machen die Bodyguards den Rückweg frei. Auf dem Hof wird Kohl in einen Mercedes-Geländewagen eingeladen. „Bewegend“, sagt ein holländischer Journalist, der die Szene beobachtet.

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