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Kultur: Altershölle

Die lange Nacht der Akademie der Künste

Die Berliner Akademie der Künste wird gern als altehrwürdige Institution bezeichnet. Was Mitglieder und Publikum angeht, könnte sie allerdings eine alternde Institution sein. Und doch war es wohl Zufall, dass die „Lange Nacht“ der Akademie anlässlich der Mitgliederversammlung am Samstag fast nur ein Thema kannte: jene „Hölle des Alters“, die der Kabarettist Georg Schramm spät am Abend beschwor.

Das wiederum galt nicht der Akademie, sondern dem Jubilar und Hauptgast, Grimmepreisträger Dieter Hildebrandt, der dieser Tage achtzig wird. Aber es dauerte nicht lange, bis Schramm die Transferleistung wagte: „Die Alten, also die Mehrheit von Ihnen, wird sich erinnern.“ Rührselige Erinnerungen der vier geladenen Laudatoren an den noch überaus lebendigen Hildebrandt gab es nicht – der Blick ging nach vorne. Wie, so fragte sich Weggefährte Werner Schneyder, kann man eigentlich in Würde mit seinen Witzen alt werden. Seine Antwort lag ganz auf der Linie von Akademiepräsident Klaus Staeck: Als pointiertes Argument sei der Witz nie alt – er sei vielmehr ein politisches Instrument.

Staeck hatte im vergangenen Jahr die Nachfolge des glücklosen Adolf Muschg mit dem Anspruch angetreten, das kritische Potenzial der Kunst zu stärken und sich mehr in gesellschaftliche Debatten einzumischen. Vom Prekariat also war die Rede gewesen und auch von Revolution, zumeist jedoch in einem lockeren, satirischen Tonfall. So fühlten sich selbst konservative Medien angenehm überrascht und fanden Staeck erfrischend zeitgemäß – obwohl der bekennende Linke mit seinen Plakaten als „ehrenamtlicher Art-Director der SPD“ gilt (Friedrich Küppersbusch).

Nun ist jener Aufruf zur Revolution erst sechs Monate her, eine neue Offensive war demnach nicht zu erwarten. Aber einen Wasserstandsbericht hätte man sich durchaus erhofft. Doch Staecks Eröffnungsrede war ein allgemeiner, freundlich belachter Rückblick auf Knut, Mixa und Oettinger. Über die Debatten, die Tags zuvor hinter verschlossenen Türen geführt wurden, verlautete hier kein einziges Wort. Dabei hatte dort, wie auf den Gängen zu hören war, die Überalterung der Akademiegesellschaft sehr wohl eine Rolle gespielt. Und über die thematische Ausrichtung soll gar eine Zahlenkunde getrieben worden sein, die jedem Kabarett zu Ehren gereicht hätte: Da wurde 68 gegen 89 in Stellung gebracht, 1933 gegen 2001. Die einzige Zahl jedoch, die der Präsident mitbrachte, waren die 43 Prozent des bereits erreichten „Jahreseinnahmesolls“ für 2007. Immerhin.

Jean-Michel Berg

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