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Kultur: Am besten mit Parkett

Bernhard Schulz über Bundesmittel für die Neuen Länder

Die Diskussion, ob in der DDR „alles schlecht“ gewesen sei, dürfte noch Jahre und Jahrzehnte anhalten. Schlecht seitens der DDR war es gewiss, beispielsweise das Leipziger Grassimuseum für Angewandte Kunst darben zu lassen; so sehr, dass die wenigen verbliebenen Räume innerhalb des maroden Hauses 1982 ganz geschlossen werden mussten. Nun konnte das Museum, grundsaniert und mit prachtvoll dargebotener Sammlung, am vergangenen Sonnabend wiedereröffnet werden. Die finanzielle Beteiligung des Bundes erschien den Festgästen ganz selbstverständlich.

Um so bemerkenswerter, dass Kanzleramtsminister de Maizière die „Mitverantwortung für den Erhalt der kulturellen Substanz“ betonte, „zu der sich der Bund im Einigungsvertrag verpflichtet hat“. Der Einigungsvertrag! Wie lange hat man nichts mehr von diesem historischen Dokument gehört. Dabei fußt das enorme Engagement des Bundes für die Kultur in den „Neuen Ländern“ vor allem auf diesem Vertrag vom August 1990. In seinem Artikel 35 heißt es, „die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet“ dürfe „keinen Schaden nehmen“. Nun, Schaden hatte sie oft genug schon zu DDR-Zeiten genommen; und mit „Substanz“ konnten vielfach nur mehr die Institutionen als solche gemeint sein, nicht ihre oft längst beklagenswerten Baulichkeiten. Unbeschadet der Kulturhoheit der Länder ließ sich der Bund damals auf Dauer in die Pflicht nehmen.

Das Grassimuseum ist auferstanden wie der Phoenix aus der Asche, so schön wie seit den Vorkriegstagen 1939 nicht mehr. Der Bund musste einspringen, weil das Land Sachsen und die Stadt Leipzig allein den Wiederaufbau nicht schafften. Knapp sechs Millionen schoss der Bund zu, und de Maizière, ganz oberster Aktenleser der Republik, vergaß nicht, den erneuerten Parkettboden als ein Ergebnis der Bundesbeteiligung zu erwähnen.

Sei’s drum; der Hinweis auf den Einigungsvertrag jedenfalls verdient festgehalten zu werden. Denn neben Leuchttürmen wie der unlängst strahlend wiedereröffneten Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar und jetzt eben dem Grassimuseum gibt es Etliches, das nicht im Scheinwerferlicht einer breiten Öffentlichkeit steht. Das in Leipzig von allen festredenden Politikern verdächtig oft beschworene Bürgerengagement – dem sich das Grassimuseum mit seinen Schätzen ursprünglich verdankt – vermag auch im besten Falle nicht alles zu richten. Der Bund bleibt berufen und gefordert, die „Substanz“ zu bewahren, in seiner Hauptstadt wie in den regionalen Kulturzentren – bis hin zur beschaulichsten Provinz, die den Reichtum der deutschen Kultur so sehr kennzeichnet. Parkettboden inbegriffen.

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