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Kultur: Am Katzentisch der Macht

Treffpunkt Tagesspiegel im Hotel Intercontinental Berlin: Wohin will die deutsche Kulturpolitik?

Seit vier Jahren gibt es nun das Amt eines Bundesbeauftragten in Sachen Kultur mit der Machtfülle eines Staatsministers. Wobei Machtfülle ein schlechtes Wort ist. Denn viel Macht hat selbst ein Staatsminister nicht, der praktisch nur über den Flur gehen müsste, um beim Kanzler im Büro zu stehen. Aber er hat etwas anderes. Er hat Einfluss.

Dass man über Einfluss selbst in Zeiten des Wahlkampfs anders, friedlicher diskutiert, davon konnte sich das Publikum einer vom Tagesspiegel und der Kulturpolitischen Gesellschaft mit Unterstützung des Hotels Intercontinental Berlin veranstalteten und von George Turner moderierten Streitrunde überzeugen. Unter dem Motto „Kulturpolitik im föderalistischen Deutschland und Europa: Aufbruch wohin?“ zog das mit Julian Nida-Rümelin, der Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan, dem Präsidenten der Kulturpolitischen Gesellschaft Oliver Scheytt, Peter-Klaus Schuster als Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlins sowie Tagesspiegel-Redakteurin Christiane Peitz prominent besetzte Podium am Donnerstag eine milde Bilanz der letzten vier Jahre. Diese haben mit Michael Naumann und dessen Nachfolger Nida-Rümelin sehr unterschiedliche Persönlichkeiten geprägt. Auf die heftigen Föderalismus-Debatten, die der Verleger Naumann anstieß (Stichwort: „Verfassungsfolklore“), folgte die stille, zähe Arbeit an dem, was Nida-Rümelin „kulturelle Ordnungspolitik“ nennt. In ihr zündelt es eher unterschwellig.

Welche Konflikte der Staatsminister bei der Einrichtung einer Bundeskulturstiftung oder des Hauptstadtkulturfonds sowie bei der Novellierung des Stiftungsrechts mit den Ländern zu bestehen hatte, deutete sich jedenfalls nur leise an, als Annette Schavan auf die notorisch uneinheitliche Haltung innerhalb der Kultusministerkonferenz hinwies. Eine Vokabel beherrscht die kulturpolitischen Auseinandersetzungen nachhaltig: Entflechtung. Was ist für das Selbstbild der deutschen Nation so bedeutsam, dass sich der Bund seiner annehmen sollte, und was gehört in die Verantwortlichkeit der Länder? Nicht nur die Berliner Finanzmisere macht eine grundsätzliche Klärung dieser Fragen notwendig. Wie Oliver Scheytt als Kulturdezernent der Stadt Essen beklagte, müssten die Länder ihre kulturellen Leistungen viel stärker gesetzlich absichern, damit sie nicht als freiwillige Förderungen Opfer des Sparzwangs werden.

Einmütigkeit herrschte darüber, dass zu den wichtigsten kulturpolitischen Maßnahmen die „Stabilisierung der Gemeindefinanzen“ (Nida-Rümelin) zählt. Selbst Annette Schavan, die im Falle eines Stoiber-Wahlsiegs als mögliche Kulturstaatsministerin gehandelt wird, sah das genauso und verwies darauf, dass über 50 Prozent der Kulturausgaben kommunale Investitionen sind. Die Amtszeit Nida-Rümelins hat gelehrt, dass der Bund nicht mit Ländern und Gemeinden um deren Schatztruhen konkurriert. Seine Beteiligung an Einrichtungen wie dem Marbacher Literaturarchiv oder Germanischen Nationalmuseum sei vielmehr „nobilitierend“, wie Schuster sagte. Sie kann nicht ersetzen, dass Kultur vor allem aus den Regionen hervorgeht. Kai Müller

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