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Vor der New York Public Library protestieren Schriftsteller mit einem James-Baldwin-Zitat gegen Trump.

© imago/Pacific Press Agency

Amtseinführung des neuen US-Präsidenten: Künstler protestieren gegen Donald Trump

Die New Yorker Kunstszene steht auf gegen den neuen US-Präsidenten. Und sie muss in Zeiten des Populismus ihre Geschäftsmoral überdenken.

Es ist früher Abend in New York. Die Kunstberaterin Anne Luther hockt in ihrer Wohnung in Brooklyn und bastelt an einem Plakat, das sie am Samstag nach Washington D. C. mitnehmen will. Wie zahlreiche andere Frauen wird sie am Tag nach der Vereidigung des neuen Präsidenten an einem „Women’s March“ teilnehmen und gegen Donald Trump protestieren. Es könnte eine der größten Demonstrationen in der Geschichte des Landes werden.

Der Bus dorthin wird von der New Yorker Galerie Danziger zur Verfügung gestellt, die wie viele andere Häuser – etwa David Zwirner oder Paula Cooper – ihre Mitarbeiter bei den Protesten ideell und finanziell unterstützt. Zudem kursiert eine Liste mit 600 Namen von Galerien und Kulturinstitutionen, die am heutigen Freitag an einem „J20 Art Strike“ teilnehmen wollen und dafür ihre Geschäftsräume schließen. Auf diese Weise sollen Proteste und Spontan-Aktionen gegen Trump erleichtert werden.

„Ich sehe, dass die Kunstwelt endlich aufwacht“, sagt Anne Luther über das neue politische Bewusstsein. „Die Stimmung hat sich in den vergangenen Monaten stark gewandelt. Der Wahlsieg von Trump war ein Riesenschock sowohl für Künstler als auch für Galeristen.“ Mittlerweile begänne die New Yorker Kunstszene, sich Gedanken darüber zu machen, woher das viele Geld komme und was mit den Werken, die in New York produziert und verkauft werden, später passiere.

Ivanka Trump kaufte ein Kunstwerk, auf dem sie zu sehen ist

Damit spricht Anne Luther einen zentralen, marktinhärenten Widerspruch an: Während die New Yorker Kunstwelt größtenteils liberal, geschlechtsprogressiv und weltoffen ist, kommen die wohlhabenden Käufer vielfach aus dem Trump-Milieu – weiße, reiche, privilegierte Männer, die sich um soziale Gerechtigkeit nicht scheren und Kunstwerke als Statussymbole oder Dekoration begreifen. Daher ist es durchaus radikal, wenn sich große Kunsthändler wie David Zwirner offen gegen Trump positionieren. Wer will es sich schon mit seinen Geschäftspartnern verscherzen?

Derweil kann der Grat zwischen ehrlichem Protest und geschickter Marketingstrategie äußerst schmal sein. Bestes Beispiel dafür ist die jüngste Aktion des amerikanischen Künstlers Richard Prince: Als er erfuhr, dass ein von ihm verfremdetes Instagram-Porträt der Trump-Tochter Ivanka von dieser selbst erworben wurde, überwies er die Gage von 36.000 US-Dollar zurück und stellte anschließend die Echtheit seines Werkes infrage: „Das ist nicht mein Werk. Ich habe es nicht gemacht. Ich widerspreche. Das ist Fake- Kunst“, schrieb der Künstler in performativer Trump-Manier auf Twitter. Ob das echtes Aufbegehren ist oder vielmehr eine Strategie, sich über eine Satire-Aktionen in den Vordergrund zu spielen, wird nun in der Kunstszene heftig debattiert.

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So viel ist sicher: Die Zeit der Naivität ist vorüber. Spätestens seitdem klar ist, dass prominente Figuren aus dem designierten Trump-Kabinett zugleich wichtige Sammler sind, kann von einer autonomen, zweckfreien Kunst nicht mehr die Rede sein. Der Umgang mit diesem Widerspruch ist unterschiedlich: Einige Künstler wollen schwarze Listen erstellen und vorschlagen, an wen verkauft werden darf und an wen nicht. Die anderen wiederum wollen politischen Einfluss über ihre Geschäftsbeziehungen nehmen.

Das Verhältnis der Kunstwelt zur passionierten Sammlerin Ivanka Trump ist symptomatisch: Die zukünftige Präsidententochter ist bekannt dafür, sich vor zeitgenössische Kunstwerke zu stellen, Selfies zu machen und die Bilder anschließend auf Instagram zu posten. Um diese Art von Vereinnahmung zu verhindern, hat das Kunstkollektiv „Halt Action Group“ einen eigenen Instagram-Account mit dem Titel „Dear_Ivanka“ gegründet und weist Ivanka Trump dort mit kreativen Bildbeiträgen auf die Bedeutung von Menschrechten, Klimawandel und Frauenrechten hin. Zugleich soll der Account Künstlern, die gegen ihren Willen von Ivanka vereinnahmt wurden, ermöglichen, sich von Ivanka zu distanzieren. Der Amerikaner Alex Da Corte hat bereits davon Gebrauch gemacht.

Vielleicht ändern Künstler ihren Stil

Der Konservator Christian Scheidemann, Chef des Büros Contemporary Conservation in New York, will ebenfalls an den Protesten in Washington teilnehmen. Wie man auf Trump als neuen Präsidenten reagieren könne, sei zwar noch völlig unklar, doch habe die Geschichte bewiesen, dass politische Krisen in den Vereinigten Staaten schon immer zu großen gesellschaftlichen Umwälzungen geführt hätten: „Es könnte durchaus sein, dass sich die Kunst jetzt ändert. Das haben wir alles schon erlebt. Ich denke besonders an die sechziger Jahre und Künstler wie Philip Guston, der während des Vietnamkrieges nicht mehr fähig dazu war, blaue Farbe neben rote zu legen und abstrakte Bilder zu malen. Das war für ihn ein wichtiger Einschnitt: der Beginn der figurativen Malerei und das Ende der abstrakten, gestischen Kunst.“

Viele Künstler sind über Obamacare versichert

Die New Yorker Künstlerin Emily Hass sieht das ähnlich. Am Telefon klingt sie verstört, nervös, aber auch zuversichtlich, dass der Sieg von Trump die schlafende Gesellschaft wachrütteln und die Kunstszene noch stärker politisieren werde. Sie will am Freitag in New York demonstrieren und mit Freunden an feministischen Kunstaktionen teilnehmen. Für sie ist Trumps Wahlsieg nicht nur ein politisches Desaster, sondern auch ein persönliches: „Wie viele Künstler in New York bin ich durch Obamacare versichert. Was nun mit der gesetzlichen Krankenversicherung passiert, weiß niemand. Das macht mir und vielen meiner Freunde Angst.“

Viele Künstler werden nun ganz neu lernen müssen, wie sie sich in Zeiten des politischen Populismus aufstellen und auf dem Kunst- und Galerienmarkt positionieren wollen. Vom „Ende der Bubble“ ist die Rede, wobei klar sein sollte, dass eine vollständige Abkapselung unmöglich ist. Die Auktionshäuser und Messen zeigen sich schon jetzt von Trumps Wahlsieg unbeeindruckt und rechnen weiterhin mit wachsenden Renditen. Auf der anderen Seite gilt die alte Formel: Schwere Zeiten in der Politik sind immer interessante Zeiten für die Kunst.

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