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Kultur: Andocken bei Sonnenaufgang

wirft einen Blick von oben auf das nächtliche Berlin Einmal muss es ja gesagt werden: Es gibt momentan nur einen Club der Superlative in Berlin und der nennt sich Berghain . Mächtig steht das ehemalige Heizwerk der Stalinallee in der Nähe des Ostbahnhofs, blickt auf die Industrielandschaft der Warschauer Brücke und lässt unsere kleinen schnuckeligen Berliner Clubs zu winzigen Löchern zusammenschnurren.

wirft einen Blick von oben auf das nächtliche Berlin Einmal muss es ja gesagt werden: Es gibt momentan nur einen Club der Superlative in Berlin und der nennt sich Berghain . Mächtig steht das ehemalige Heizwerk der Stalinallee in der Nähe des Ostbahnhofs, blickt auf die Industrielandschaft der Warschauer Brücke und lässt unsere kleinen schnuckeligen Berliner Clubs zu winzigen Löchern zusammenschnurren. Das Berghain etwa mit, sagen wir, dem Rosis zu vergleichen, ist wie Tokio mit Mühlheim an der Ruhr gleichzu- setzen. Eigentlich ist das ehemalige Ostgut auch gar kein Club, sondern eine bombastische Mischung aus Bunker und Kathedrale, aus Industrie und Kunst - kurz: Es ist der Hammer.

Jedem, der sich diesen Club einmal mit eigenen Augen ansehen will, wird heute Abend eine gute Gelegenheit geboten. „Minus“, das experimentelle Label der Technolegende Richie Hawtin , stellt ab Mitternacht seine erste Compilation in der Panorama Bar vor – und damit das Konzept des größten Technobunkers Berlins auf den Kopf. Das könnte man nämlich als „Mehr ist Mehr“ beschreiben. Die Zusammenstellung der momentan avanciertesten Vertreter des Minimaltechno nennt sich dahingegen selbstbewusst: „Minimize to Maximize“.

Beides kann nämlich zusammengehen: ein überwältigender Ort mit einer aufs Wesentliche reduzierten elektronischen Musik. Die Party, beziehungsweise dieses zur Abstraktheit neigende Geräusch- Mutterschiff mit Heimathafen Detroit, wird nicht in der riesigen Halle, sondern im ersten Stock anlegen. In der bei Kennern elektronischer Musik nur mit vor Erfurcht bebender Stimme ausgesprochenen „Panorama Bar“. Immer das beste Line-Up, immer die neusten Trends in Sachen Minimal House und Elektroclash schon auf dem Plattenteller, wenn sie anderswo noch in der Luft lagen. Dafür war die verglaste Bar mit Ausblick berühmt – damals, als sie noch zusammen mit dem Ostgut auf einem Bahngelände in der Mühlenstraße residierte.

Heutzutage findet man die Panorama Bar, indem man sich an vielen halbnackten Männern hindurch einen Weg über die Betonfreitreppe in den ersten Stock des Etablissements bahnt. Der Ausblick von hier oben auf eine der wüstesten und gleichzeitig schönsten Gegenden Berlins ist schon einen nächtlichen Ausflug wert. Doch rausschauen alleine gilt nicht, es geht um mehr als Sightseeing. Man muss schon ein bisschen in sich hineinhorchen, wenn man verstehen will, was Minimaltechno bedeutet. Diese Musik mag zunächst simpel und monoton wirken, doch bald enthüllt sich, dass sich in den scheinbar endlosen Reihungen ausgefeilte Muster verbergen, bei denen jede noch so kleine Abweichung, jede Verschiebung von Klang oder Rhythmus umso bedeutsamer wird.

So offen ist die musikalische Struktur, dass man als Hörer und Tänzer immer auch etwas von sich selbst zu den digitalen Serien und Zirkeln, den „Sequenzen“ und „Loops“ hinzugeben muss. Wenn dann auch noch Magda, „ The Queen of Bleeps “ aus Detroit, auflegt und Marc Houle zeigt, was es mit „Technofunk“ auf sich hat, dann kann einen nur noch eines in der Panorama Bar stören: Die aufgehende Sonne. Selbst im Winter zeigt sie sich viel zu früh am Fenster.

Nadja Geer

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