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Betriebsvermögen. Auch August Mackes „Gartenbild“ (1911) befindet sich im Besitz der WestLB-Nachfolgerin Portigon.

© picture alliance / dpa

NRW plant weitere Verkäufe von Bildern: Andy Warhol war erst der Anfang

Die Kunstsammlung der ehemaligen Landenbank WestLB mit einem Schätzwert von 100 bis 150 Millionen steht zum Verkauf. Eine bisher geheimgehaltende Inventarliste lässt nun das ganze Ausmaß dieses Vorhabens erahnen.

Der Ausverkauf geht weiter. Erneut sollen in Nordrhein-Westfalen Kunstwerke veräußert werden, die dem Land und damit auch den Bürgern gehören. Die Abwicklungsgesellschaft Portigon, die nach der Pleite der WestLB gegründet wurde, will alles zu Geld machen, was nicht niet- und nagelfest ist. Auch die umfassende Kunstsammlung der ehemaligen Landesbank dürfte auf den Markt geworfen werden. Abgeschreckt durch die heftigen Reaktionen im Vorfeld des Verkaufs zweier Warhol-Gemälde durch die ebenfalls landeseigene Westspiel-Gruppe hat das zuständige Finanzministerium in Düsseldorf allerdings den Umfang und Inhalt dieser Sammlung geheim gehalten. Angeblich würden genaue Angaben den Marktwert der Kunstwerke drücken. Doch nun haben Informationen über die Inventarliste durch eine Veröffentlichung der „Rheinischen Post“ den Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Sie zeigen das ganze Ausmaß des Vorhabens.

Sammlung umfasst Werke von Beuys, Macke und Richter

Auf der Liste stehen insgesamt 400 Bilder und Plastiken, darunter Werke von Joseph Beuys, Max Bill, August Macke, Emil Nolde, Gerhard Richter, Robert Rauschenberg oder Günter Uecker. Raimund Stecker, ehemaliger Leiter des Wilhelm- Lehmbruck-Museums in Duisburg, konnte die Liste einsehen und schätzt deren Gesamtwert auf 100 bis 150 Millionen Euro. Ein hoher Betrag, der aber angesichts der Verpflichtungen der Portigon – Ende 2012 beliefen sie sich auf 100 Milliarden Euro – lächerlich erscheint. Denn die künstlerische Bedeutung dieser Werke ist kaum mit Geld aufzuwiegen.

Im vergangenen Jahr hatte die Westspiel-Gruppe mit ihrer Entscheidung, die beiden Andy-Warhol-Bilder „Triple Elvis“ und „Four Marlons“ zu verkaufen, um ihre Casinos zu renovieren, einen Sturm der Empörung ausgelöst, unter anderem vom Verband Deutscher Kunsthistoriker. Die nordrhein-westfälische Landesregierung musste sich als Eigentümer den Vorwurf gefallen lassen, die Kunst zum Ausverkauf zu stellen. Am Ende waren alle Proteste vergeblich, die beiden Werke gingen auf einer Auktion bei Christie’s in New York für rund 120 Millionen Euro über den Tisch. Gelernt haben die Landespolitiker aus diesem kulturpolitischen Desaster anscheinend nichts. Vielleicht hatte man aber auch wirklich die Hoffnung, das wahre Ausmaß des geplanten Verkaufs weiterer Kunstwerke durch die landeseigene Abwicklungsgesellschaft verbergen zu können.

Der Verkauf sei alternativlos

Zwar verweigert das Finanzministerium weiterhin die Veröffentlichung der Inventarliste, doch der Vorstandvorsitzende der Portigon, Kai Wilhelm Franzmeyer, hat in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ inzwischen auf die Vorwürfe des Ausverkaufs reagiert. Er sehe keine Alternative zum Verkauf der Kunstsammlung und begründet dies mit den Vorgaben der EU-Kommission, die Portigon restlos abzuwickeln: „Wir müssen die Bilanz auf Null setzen, also sämtliche Vermögensstände und damit auch die Kunstsammlung, die ja Teil des Betriebsvermögens sind, verwerten.“ Ein Argument, das der kulturpolitische Sprecher der CDU im NRW-Landtag, Thomas Sternberg, nicht gelten lassen will: „Die Portigon gehört dem Land. Und als Vorstand des Aufsichtsrats könnte der Finanzminister den Verkauf sehr wohl verhindern.“

Doch da bisher jeder politische Wille fehlt, sich dem Verkauf entgegen zu stellen, müssen gleich mehrere Museen um ihre Dauerleihgaben fürchten, die sie noch von der ehemaligen WestLB erhalten haben. Im Landesmuseum Westfalen-Lippe in Münster wären gleich vier Exponate vom Ausverkauf betroffen, neben einer Henry-Moore-Plastik und einem Gemälde von Fritz Winter auch zwei mittelalterliche Tafelbilder des sienesischen Malers Giovanni di Paolo. Dessen Werke hatte die WestLB eigentlich seinerzeit gekauft, um sie dauerhaft für das Museum zu sichern.

Auf der Liste wird man solche Informationen vergeblich suchen. Zwar finden sich Künstler und Titel der Werke, fein säuberlich sortiert nach den drei ehemaligen Standorten der WestLB Düsseldorf, New York und London. Jegliche Auskunft zum aktuellen Standort – in welchem Museum das Bild tatsächlich hängt – fehlt aber. So wird verdeckt, welcher kulturpolitische Schaden dem Land durch den Verkauf entstehen würde.

Nach dem jetzigen Stand der Planung sollen die Werke, ebenso wie die Warhol- Bilder, über ein Auktionshaus verkauft werden – nicht im Ganzen, sondern einzeln, um den höchstmöglichen Ertrag zu erzielen: „Wir haben nichts zu verschenken, denn alles, was wir verschenken würden, wäre am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit eine zusätzliche Belastung für den Steuerzahler“, sagt Kai Wilhelm Franzmeyer. Ebenso wie jeder andere Interessent könnten dann ja auch die Museen mitbieten, einen Preisnachlass wird es aber nicht geben. So ließ der Portigon-Chef schon wissen: „Wenn jemand die Kunst aus der Portigon-Sammlung in NRW halten will, muss er dafür den Marktpreis zahlen.“

Museumsleiter sprechen von "Zynismus"

Doch schon jetzt dürfte allen Beteiligten klar sein, dass die klammen Museen dafür wohl kaum die Mittel aufbringen könnten. Bis zum endgültigen Verkauf könnten aber einzelne Werke für ein bis zwei Jahre noch einmal ausgeliehen werden, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Kosten für Transport, Versicherung und andere Aufwendungen müssten die Museen aber selber tragen. Für diesen perfiden Vorschlag hat der kulturpolitische Sprecher der CDU, Thomas Sternberg, nichts als Hohn übrig: „Hier sollen die öffentlichen Museen des Landes auch noch als Durchlauferhitzer missbraucht werden, um den Verkaufspreis zu steigern.“

In einer Stellungnahme haben die Leiter der großen Museen in NRW angekündigt, „sich an dieser dubiosen Aktion nicht beteiligen zu wollen“. Zudem forderten sie den sofortigen Stopp aller Verkaufsvorbereitungen, denn „anders als ein Bürostuhl oder Laptop lässt sich ein für die Öffentlichkeit bedeutendes Kunstwerk nicht mehr ersetzen, wenn es nach einer Auktion irgendwo in einer Privatsammlung verschwindet.“ Das Angebot an die Museen, die Werke zu erwerben, zeuge von „Zynismus“. Denn angesichts der aktuellen Marktpreise wäre ein solcher Ankauf für öffentliche Museen gerade bei den wichtigen Werken nicht zu stemmen. Die Wahrhols aus dem letzten Verkauf gehören inzwischen zwei anonymen Privatsammlern. Ob sie jemals wieder einem öffentlichen Publikum zugänglich sein werden, steht in den Sternen.

Mattes Lammert

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