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Barbe Bleue

© Promo

Angeschaut: Kurz & kritisch

Vier Filme aus Panorama und Forum: "Citizen Juling", "Ander", "Barbe bleue" und "Ne me libérez pas, je m’en charge".

FORUM

Wieder ein Umbruch?

„Citizen Juling“ aus Thailand

Traumstrände, Tsunami, Unruhen in Bangkok – das ist für uns Thailand. War da nicht mal ein Putsch? Im Mai 2004 wurde in einer der unruhigen Südprovinzen des Landes eine Kunstlehrerin von einer Gruppe Frauen erschlagen. Die 21-jährige buddhistische Juling kam aus dem friedlichen Norden, hatte aus idealistischen Gründen im muslimischen Süden unterrichtet, sie lag noch fast drei Jahre im Koma, bis sie starb, und wurde wie eine Märtyrerin verehrt. Warum ermorden Frauen die blutjunge Lehrerin ihrer Kinder?

Die Filmemacher, darunter der demokratische Politiker Kraisak Choonhavan und die Künstlerin Ing K, begeben sich auf Spurensuche quer durch ganz Thailand. Sie setzen sich mit den Dorfbewohnern auf dem Schulgelände zusammen, befragen die anderen Lehrer, Julings Familie, Senatoren, Aktivisten, Kneipenbesucher. Sie forschen nach der Wahrheit, geduldig, beharrlich, unermüdlich, und stellen fest, sie ist unendlich kompliziert. Die muslimische Minderheit wird drangsaliert, Zeugen werden als Verdächtige verhaftet, die Polizei wendet oft die schlimmste Gewalt an. Es lohnt sich, diesem Film auf seinen verschlungenen Wegen zu folgen: Solange Menschen nachfragen, reden, zuhören, streiten, töten sie einander nicht. Es ist wie bei den Wahrheitskommissionen in Südafrika: Vergeben ja, vergessen nein. „Rache“, sagt der junge Senator, „tut niemandem gut“. Er saß zwei Jahre versehentlich im Gefängnis. Christiane Peitz

10. 2., 19.30 Uhr (Cinemaxx 4), 12. 2., 13 Uhr (Cubix 7), 14. 2., 16.30 Uhr (Delphi)

FORUM

Wieder ein Ausbruch?

„Ne me libérez pas, je m’en charge“

Manchmal sieht er ein bisschen aus wie Robert de Niro, wenn er sein Gesicht bei einem schiefen Lächeln in Falten legt – und er ist mindestens ebenso charismatisch. Die französische Dokumentaristin Fabienne Godet hat den ehemaligen Kriminellen Michel Vaujour porträtiert, der mit seinen spektakulären Gefängnisausbrüchen in den siebziger und achtziger Jahren ganz Frankreich in Atem hielt und bei seinen Landsleuten große Sympathien weckte.

Man ahnt warum, wenn man den intelligenten und witzigen Ausführungen des Mittfünfzigers folgt, der von seinen 27 Knastjahren 17 in Einzelhaft im Hochsicherheitstrakt verbrachte. Als unangepasster jugendlicher Rabauke und Kleinkrimineller wurde er immer wieder verhaftet, „das Gefängnis war meine Universität“, erinnert er sich, denn erst dort lernte er, große Coups zu planen. Seine Stimme klingt brüchig, sie hat über die vielen Jahre, in denen er sie kaum benutzte, Rost angesetzt. Die Einzelheiten der Straftaten erfährt man nicht, wohl aber, wie es Vaujour schaffte, in der Zeit der Isolation weder seine Identität noch seinen Lebensmut zu verlieren: mit Philosophie und Disziplin. Seine Überzeugung: „Ich wollte nicht, dass das System gewinnt.“ Daniela Sannwald

10. 2., 22.30 Uhr (Cubix 9)

PANORAMA

Wieder ein Tabubruch?

„Barbe bleue“ von Catherine Breillat

Eine Märchenverfilmung? Mit wallend-bunten Kostümen, dicken Burggemäuern und luftiger Cembalomusik? Von Catherine Breillat, der Regisseurin von „Romance“, diesem halbpornografischen Glanzstück filmischer Provokation? Man reibt sich die Augen. Und dieses Staunen lässt im Laufe der 80 Minuten keineswegs nach. Breillats Verfilmung des Märchens vom König Blaubart stellt sich nämlich als hübsch kurzweilig heraus – aber auch als unerwartet harmlos. Dass sie die Märchenwelt als Dachboden-Kinderfantasie zweier rivalisierender Schwestern tarnt, deren Niedlichkeit sie in extremen Nahaufnahmen hervorhebt, verstärkt diesen Eindruck noch.

Breillat-Exegeten werden einwenden: Eine Reihe typischer Motive kehrt doch auch in diesem Film wieder! Da wäre die aufblitzende Grausamkeit: zum Beispiel das detailliert bebilderte Verenden einer geköpften Gans, das geschickt auf den kopflosen König vorausweist. Da wären die gemäldehaften Einstellungen, die inspiriert sind von Darstellungen des Letzten Abendmahls und der biblischen Judith-und-Holofernes-Geschichte. Da wäre schließlich die Lust an allem Fleischlichen, sei es der klobige Leib des Königs, seien es Blaubarts radikal unvegetarischen Gelage. Und vielleicht lassen sich auch einige autobiografische Anklänge heraushören, zumal der Name Catherine auf beiden Erzählebenen eine wichtige Rolle spielt. Letztlich bleibt das Provozierendste an „Barbe bleue“ aber, dass Catherine Breillat hier souverän die Erwartungen einfach unterläuft.Julian Hanich

10. 2., 17.45 Uhr (Cinestar 3)

PANORAMA

Wieder ein Beinbruch?

„Ander“ von Roberto Castón

In einem abgeschiedenen Tal lebt der baskische Bauer Ander (Aosean Bengoetxe)mit Schwester Arantxa und seiner verwitweten Mutter auf einem kleinen Hof. Ander lebt für die Arbeit – auf dem Hof und in einer Fahrradfabrik. Als er sich das Bein bricht und nicht mehr arbeiten kann, stellt die Familie den peruanischen Immigranten José (Cristhian Esquivel) als Arbeitshilfe ein. Die Männer freunden sich immer mehr an, schließlich kommt es überraschend zu einer heftigen sexuellen Begegnung.

Mit „Ander“ ist Regisseur Roberto Castón ein ungewöhnlicher Film über die Liebe zweier Männer gelungen, anrührend vor allem deshalb, weil er sich nicht in die entsprechenden, längst klischeehaft gewordenen Großstadtmilieus zurückzieht. Die behutsam charakterisierten Figuren, sorgfältig eingebettet in die eher strenge Lebenswelt des ländlichen Baskenlandes, werden von den durchweg überzeugenden Darstellern zu Leben erweckt. Ein im allerbesten Sinne schlichter Film über einen Mann, der sich in der Mitte seines Lebens noch einmal verändern muss, um sein Glück zu finden. Sebastian Handke

11. 2., 21.30 Uhr (Zoo-Palast 1), 12. 02., 12.30 Uhr (Cinemaxx 7), 13. 2., 17 Uhr (Cubix 9), 15. 2., 17 Uhr (International)

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