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Kultur: Anna David

Diese Woche auf Platz 42 mit: „Fick Dich“

Skandinavien gilt hierzulande schon lange als Reich besonderer Freizügigkeit. In den sechziger Jahren lösten so genannte „Schwedenfilme“ in Deutschland Skandale aus, die ihre Darsteller und vor allem Darstellerinnen so zeigten, wie Gott sie erschaffen hatte. Das Spektrum des anstoßerregenden Genres reichte von Ingmar Bergmans Inzest-Drama „Das Schweigen“ bis zu Softpornos mit Titeln wie „Schwedensex in Paris“, die heute allenfalls noch als sittengeschichtliches Quellenmaterial für Kulturhistoriker taugen.

Zwölf Wochen hielt Anna David mit ihrem Song „Fuck Dig“ den ersten Platz der dänischen Single-Charts besetzt, aufgeregt hat sich darüber niemand. Kaum aber hatte sie eine deutsche Version ihres Hits unter dem wortgetreu übersetzten Titel „Fick Dich“ aufgenommen, kam es zum Skandal, besser gesagt: Skandälchen. Das Presswerk fand, dass Schimpfwörter in einem Songtext nichts zu suchen haben, und weigerte sich, die Maxi-CD herzustellen. Im englischsprachigen Hiphop gehört „Fuck You“ längst zu den harmloseren Formen übler Nachrede, doch auf Deutsch ist das F-Wort offenbar immer noch ein Tabu. Ein Fall von versuchter Zensur? Vielleicht auch bloß eine schöne Story aus der Marketingabteilung, denn der Plattenfirma Sony BMG gelang es nicht nur rasch, ein anderes Presswerk zu beauftragen, sie machte die Affäre auch umgehend publik.

Der Titel mag aggressiv klingen, doch eigentlich ist „Fick Dich“ eine Schmerzenshymne, eine herzerweichend säuselnd vorgetragene R’n’B-Ballade über das Ende einer Liebe. „Für all die Male, die du mir wehgetan hast / Für all die Zeit, die ich bei dir verlor’n hab / Vergiss dich, vergiss mich / Fick dich“, barmt die 21-jährige Dänin. Jede Zeile ein Aufschrei, ein Fußtritt. Im Video taumelt sie über eine nächtliche Autobahn, von hinten nähern sich die Scheinwerfer eines Pickup-Wagens, der in der letzten Sekunde vor der Kollision immer wieder abbiegt. Manchmal ist die Liebe, so muss man die Bilder wohl verstehen, keine Leidenschaft, sondern bloß ein Unfall.

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